Ein parlamentarischer Vorstoss fordert gleiche Regeln für alle privaten Sicherheitsunternehmen. Diese Idee findet selbst in der Branche Anklang. Dort wird mitunter scharf geschossen – mit Worten.
Raphael Zemp
raphael.zemp@luzernerzeitung.ch
In der Schweiz gedeihen private Sicherheitsfirmen prächtig. So hat sich der Umsatz der Branche zwischen 2002 und 2013 mehr als verdoppelt, von 450 Millionen auf rund eine Milliarde Franken. Und er steigt munter weiter. Von diesem wachsenden Kuchen wollen sich immer mehr Firmen ein Stück abschneiden. Alleine im Kanton Luzern haben über 140 private Sicherheitsfirmen eine Bewilligung erhalten (siehe Box).
Unter der immer grösser werdenden Anzahl Unternehmen befinden sich laut Branchenvertretern auch schwarze Schafe. «Es braucht dringend Mindeststandards in dieser stark expandierenden Branche», findet deshalb der St. Galler SP-Ständerat Paul Rechsteiner. Er hat darum eine Motion eingereicht, die dieser Tage an die zuständige Rechtskommission überwiesen wurde. Rechsteiner argumentiert, dass die Sicherheitsdienstleistungen das staatliche Gewaltmonopol tangieren würden. «Wie die Standards dereinst genau ausschauen sollen, muss im politischen Prozess nach Annahme der Motion definiert werden. Wichtig ist, dass dieser Prozess jetzt angestossen wird.» Klar hingegen ist: Rechsteiners Anliegen stösst auf grosse Zustimmung. Der Bundesrat, Politiker jeder Couleur, aber auch kontaktierte Sicherheitsfirmen im Kanton Luzern und Branchenverbände begrüssen diesen Schritt – auch wenn sie dabei nicht immer dasselbe meinen.
Martin Heller verdient seit 11 Jahren mit der Sicherheit sein Geld. Er ist einer der vier Geschäftsführer der Firma LU-Sicherheitsdienst, die auch im Auftrag der Stadt Luzern patrouilliert und gesamthaft rund 100 Personen beschäftigt – einen Grossteil davon Teilzeit. Das grösste Problem der Branche sei Preisdumping, sagt Heller, der kein Blatt vor den Mund nimmt. «Manch ein Konkurrent bietet Dienstleistungen zu Preisen an, da kann ich bloss noch ungläubig den Kopf schütteln.» Viele Sicherheitsunternehmen würden zudem ungeeignetes Personal einsetzen und dieses schlecht oder gar nicht ausbilden, kritisiert Heller weiter.
«Der Bürger hat ein Recht zu wissen, was das Sicherheitspersonal mitbringt, mit dem er konfrontiert ist», findet Heller. Auch weil immer mehr Aufträge von Behörden an private Sicherheitsbehörden ausgelagert würden. Und auch der Verband Schweizerischer Sicherheitsdienstleistungs-Unternehmen (VSSU), dem Hellers LU-Sicherheitsdienst angehört, findet: «Es besteht Handlungsbedarf.» Neue Minimalstandards sollen bewirken, dass Anbieter auf ihre Seriosität überprüft würden, dass insbesondere weder Geschäftsführer noch Personal vorbestraft seien und dass Ausbildungsstandards festgeschrieben würden, erklärt VSSU-Generalsekretär Matthias Fluri.
Zumindest für die Stadt Luzern trifft die Aussage nicht zu, es würden immer mehr Aufträge an private Sicherheitsfirmen vergeben. Das sagt der städtische Sicherheitsmanager Maurice Illi. Die Ausgaben für externe Sicherheitsfirmen belaufen sich laut ihm zwar jährlich auf einen höheren fünfstelligen Betrag. Dabei handle es sich um langfristige Zusammenarbeiten. Private kämen etwa bei der Parkplatzbewirtschaftung zum Zug, aber auch bei Veranstaltungen wie der Lozärner Määs oder als Unterstützungs-Patrouillen der SIP (Sicherheit, Intervention, Prävention). Bei der Vergabe halte man sich «strikt» an das Gesetz über die öffentlichen Beschaffungen. Dieses verlange je nach Schwellenwert der Dienstleistung eine öffentliche Ausschreibung, erklärt Illi. «Den Zuschlag erhält dabei das wirtschaftlich günstigste Angebot.»
Zurück zu der von Paul Rechsteiner angestossenen Diskussion. Zumindest der Kanton Luzern hat im Polizeigesetz bereits gewisse Leitplanken definiert: Wer hier im Sicherheitsbereich aktiv werden will, muss eine Bewilligung beantragen. Sie ist an konkrete Bedingungen geknüpft. So muss etwa nachgewiesen werden, dass man in den letzten fünf Jahren nicht wegen gewisser Delikte verurteilt worden ist. Die Bewilligung kann grundsätzlich auch wieder entzogen werden. Bloss: Nachkontrollen gibt es keine. «Das wäre mit einem enormen Aufwand verbunden», sagt Kurt Graf, Mediensprecher der Luzerner Polizei. Man reagiere erst auf Hinweise. Entsprechend wenige Bewilligungen wurden bisher entzogen: Genau eine einzige – vor über zehn Jahren.
Selbst wenn die Polizei von fehlbaren Mitarbeitern privater Sicherheitsfirmen weiss, ist ihr Handlungsspielraum beschränkt. Denn auch in solchen Fällen gelte der Persönlichkeitsschutz, sagt Graf. Das hat auch schon zu Missverständnissen geführt: Auf Hinweis der Polizei entliess vor einigen Jahren der Inhaber einer Sicherheitsfirma einen Mitarbeiter – allerdings den falschen. Die Behörden durften nämlich den Namen nicht mitteilen.
Was Martin Heller ebenfalls sauer aufstösst: Einige Firmen rechnen laut ihm weder Mehrwertsteuer noch Sozialversicherungen korrekt ab – Kontrollen hätten gerade kleinere Betriebe so gut wie keine zu befürchten. Er ärgert sich auch über jene Sicherheitsfirmen, die bewusst die Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages umgehen würden. Dieser gilt für alle Sicherheitsfirmen, die in der Schweiz tätig sind. Allerdings erst ab einer Grösse von zehn oder mehr Mitarbeitern. «Deshalb gründen viele eine neue Firma, sobald sie diese Grenze erreichen würden.» Heisst: Statt einer Firma mit 18 Beschäftigten operieren zwei scheinbar unabhängige Firmen mit je 9 Mitarbeitern. Eine Praxis, die man auch im Kanton Luzern beobachten könne, sagt Heller. So drückten sich Kleinbetriebe etwa um Mindestlohn- und Spesenbestimmungen, haben so einen Wettbewerbsvorteil.
Gegen dieses «Phänomen» wolle man entschieden vorgehen, versichert Matthias Fluri, Generalsekretär des VSSU. Erklärtes Ziel sei letztlich ein Gesamtarbeitsvertrag, der für sämtliche Sicherheits-Betriebe gelte. Dafür bedürfe es aber einer Gesetzesänderung auf Bundesstufe. Entsprechende Vorstösse seien hängig.
Die Stimme des VSSU hat Gewicht. Er vertritt sämtliche Regionen der Schweiz. Nicht weniger als 90 Prozent der privaten Sicherheitsleute sind ihm nach eigenen Angaben unterstellt. «Eine glatte Übertreibung», sagt Toni Casagrande, SVP-Grossrat von Basel-Stadt und Präsident des schweizerischen Branchendachverbands für Sicherheitsdienstleister, dem SVSBV. Dieser versteht sich als Gegenspieler, der dafür sorgt, dass Goliath VSSU «sich nicht die ganze Branche unter den Nagel reisst», so Casagrande. Dabei vertritt er nach eigenen Angaben die KMU-Interessen, im Gegensatz zum VSSU, «der letztlich bloss ein Projekt der Securitas sei», wettert Casagrande – und hat damit nicht ganz Unrecht. Denn es war die Securitas, die den Verband zusammen mit anderen grösseren Sicherheitsdienstleistern wie etwa der Protectas ins Leben rief.
Trotz dieser Vorbehalte befürwortet auch der kleinere SVSBV neue Minimalstandards. Eine «gute Sache» seien diese, sofern sie nicht bloss nach dem Gusto des VSSU gestaltet würden, sagt Casagrande. Derselben Meinung ist Timo Lichtsteiner, operativer Leiter des in Luzern ansässigen Sicherheitsdienstes Tiger Guard. Er wiederum präsidiert einen Unterverband des SVSBV: den Interkantonalen Verband privater Sicherheitsdienste, in dem sich elf Sicherheitsfirmen zusammengeschlossen haben. «Es sollen alle mitreden», so Lichtsteiner.
Gegen Splitterfirmen, die den Geltungsbereich des Gesamtarbeitsvertrags ausnützen, wollen aber weder SVSBV noch sein Unterverband vorgehen. «Nur so können sie sich dem Diktat des VSSU entziehen», argumentiert Casagrande – um im gleichen Atemzug über die in seinen Augen eigentlichen schwarzen Schafe zu schimpfen: «Am schlimmsten sind jene Betriebe, die hobbymässig nebenbei geführt werden, oftmals von ehemaligen Arbeitslosen. Und jene Personen, die letztlich mit der Unternehmungsgründung bloss einen Waffentragschein einheimsen wollen.»
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Probleme im Bereich privater Sicherheitsfirmen werden nicht nur von der Politik vermutet, sondern auch von der Branche bestätigt. Wobei dort die Schwerpunkte ganz unterschiedlich gesetzt werden – abhängig davon, ob man zu den Grossen im Geschäft gehört. Oder zu den Kleinen. Oder zu den ganz Kleinen.