Früher jammerten die Trainer nach Niederlagen über verletzte oder gesperrte Spieler. Misserfolge mit «hätte, würde, könnte, sollte» zu erklären, bringt aber nichts, darum haben Trainer und Teamverantwortliche das Vokabular längst angepasst.
Man arbeitet mit jenen Spielern, die zur Verfügung stehen. Aber: Die Young Boys sind auch dank ihrer starken Ersatzbank, respektive dem breiten Kader, Schweizer Meister geworden, diesbezüglich müsste allerdings der FC Basel Zweiter werden.
Der FC Zürich hat in der vergangenen Saison überraschend den Meistertitel gewonnen. Die Offensivabteilung mit Assan Ceesay, Wilfried Gnonto und Antonio Marchesano hat zusammen 42 Tore erzielt. Die zwei Stürmer Ceesay und Gnonto sind weg, Marchesano und Aiyegun Tosin können es alleine nicht richten, doch auch beim FC Zürich wurde nicht gejammert.
Der FC St.Gallen hatte nach den Abgängen von Cedric Itten und Ermedin Demirovic auch kein Sturmduo mehr, das in einer Saison 33 Tore erzielt. Immerhin treffen Jérémy Guillemenot und Emmanuel Latte Lath regelmässig. Vor allem jetzt würden die Ostschweizer ihre Tore benötigen.
Aber es wird nicht gejammert oder wie St.Gallens Sportchef Alain Sutter einmal anmerkte: «Bei mir muss keiner jammern kommen.» Wer dies sagt, wird es auch selbst nicht tun, zudem macht jammern krank und man verliert die Zuwendung und Akzeptanz bei den Fans.
Viel Grund zu klagen hätte auch der St.Galler Handballklub St.Otmar gehabt. Der siebenfache Schweizer Meister, dessen letzter Titelgewinn schon über 20 Jahre zurückliegt, hatte betreffend Trefferquote mit Ariel Pietrasik einen Überflieger im Team, bis er sich verletzte und sich die St.Galler über den letzten Qualifikationsplatz für die Playoffs qualifizierten, wo sie aber gegen einen zu starken Gegner keine Chance hatten.
Auch St.Otmar hätte viel Grund zum Jammern gehabt, denn im Handball fällt die Abwesenheit eines Topskorers noch deutlicher ins Gewicht. Jammern verändert nichts. Darum sollte man bei der Erklärung des Misserfolges nur auf das reagieren, was man bei bestehender Ausgangslage bewirken kann.
Und wenn es gar nicht mehr läuft wie zuletzt dem FC St.Gallen, hilft vielleicht auch Anita Weyermanns «Gring abe und seckle». Denn wenn der Gegner spürt, dass ein Team um jeden Preis zurück in die Erfolgsspur will, ist dies ein Indiz für ein intaktes Team, und gegen solche Mannschaften tritt man nicht gerne an.
Es gewinnt nicht immer das bessere, sondern oft auch das engagiertere Team mit dem unbändigen Willen. Dazu braucht es, wie St.Gallens Trainer Peter Zeidler kürzlich beim FC Zürich zu Recht opponierte, keine Kriegsrhetorik, gerade auch nicht in Zeiten wie diesen.
Vielmehr braucht es Charakterköpfe, die auf dem Platz nicht für sich, sondern für den gemeinsamen Erfolg spielen. Aus dem Loch kommt man auch selten über spielerische Glanzpunkte. Es sind andere Qualitäten gefragt. Erst danach kommt auch wieder die Leichtigkeit zurück und der Ball geht an den Pfosten und ins Tor und prallt nicht ins Feld zurück.
Es gibt viele Beispiele, die dies belegen, augenscheinlich zeigt sich dies in der Super League beim FC Luzern, der eine durchzogene Vorrunde gespielt hat. Machtkämpfen in der Führungsetage zum Trotz sind die Luzerner in der Rückrunde mit einer grossartigen Mentalität zurückgekehrt. Gelungen ist ihnen dies unter anderem auch mit vielen «Gring abe und seckle»-Spielern, inklusive Trainer.
René Bühler wirft in regelmässigen Abständen einen Blick auf das Sportgeschehen. Er ist Ehrenpräsident des FC Fortuna St.Gallen und Herausgeber des Buches «Fussballjahre». (red)