Pro & Contra
Paul Rechsteiner und Esther Friedli streiten über die Reform der Verrechnungssteuer

Am 25. September stimmt die Schweizer Bevölkerung über die Reform der Verrechnungssteuer ab. SVP-Nationalrätin Esther Friedli befürwortet die Vorlage, SP-Ständerat Paul Rechsteiner ist dagegen.

Esther Friedli, Paul Rechsteiner
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Esther Friedli und Paul Rechsteiner.

Esther Friedli und Paul Rechsteiner.

Keystone

PRO: Esther Friedli, SVP-Nationalrätin

Esther Friedli, Nationalrätin (SVP/SG).

Esther Friedli, Nationalrätin (SVP/SG).

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Aus dem Alltag wissen wir: Probleme kann man vor sich herschieben. Gelöst sind sie damit aber noch nicht. Oft wird es sogar noch schlimmer. So ist es auch in der Politik. Beispielsweise mit der Verrechnungssteuer auf Obligationen, die in der Schweiz herausgegeben werden. Seit Jahren wandert das Geschäft mit der Finanzierung von Unternehmen ins Ausland ab, da andere Länder keine Verrechnungssteuer auf Obligationen kennen. Deshalb ist es attraktiver, Anleihen im Ausland herauszugeben. Der Schweiz gehen Wertschöpfung und Steuereinnahmen verloren. Und wir machen dem Ausland Steuergeschenke.

Mit der Reform der Verrechnungssteuer schafft die Schweiz die Verrechnungssteuer auf neuen Obligationen auch ab. Doch die Abschaffung dieser Steuer führt nicht zu Steuerausfällen, sondern erwirkt Mehreinnahmen, da sich Unternehmen besser in der Schweiz finanzieren können. Wider besseres Wissen versuchen die linken Gegner mit falschen Zahlen Verunsicherung zu schüren. Tatsache ist jedoch, dass die Reform die Abwanderung ins Ausland stoppt. In der Schweiz werden damit neue Geschäfte generiert. Das führt zu höheren Steuereinnahmen. Schon nach fünf Jahren rechnet der Bund mit jährlich 350 Millionen Franken Mehreinnahmen. Mit Mehreinnahmen dürfen auch die Kantone rechnen, wenn das Geschäft mit Obligationen in der Schweiz wieder floriert.

Gleichzeitig vergünstig die Belebung des einheimischen Kapitalmarktes auch die Fremdfinanzierung. Bund, Kantone, Gemeinden, Spitäler, Energieunternehmen, öffentlicher Verkehr und private Unternehmen finanzieren sich am Kapitalmarkt. Gemäss der eidgenössischen Steuerverwaltung senkt die Reform den Zinsaufwand um bis zu 0,15 Prozent. Bei Milliardeninvestitionen ist dies schnell sehr viel Geld.

Mit der Reform der Verrechnungssteuer bleibt das Geld in der Schweiz. Davon profitieren wir doppelt: zum einen mit steigenden Steuererträgen und zum anderen durch günstigeres Fremdkapital. Mehr Geld nützt allen. Deshalb sage ich aus Überzeugung Ja zur Reform.

CONTRA: Paul Rechsteiner, SP-Ständerat

Paul Rechsteiner, Ständerat (SP/SG).

Paul Rechsteiner, Ständerat (SP/SG).

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Was ist die Verrechnungssteuer? Sie ist eine bewährte und produktive Erfindung des Schweizer Steuerrechts. Sie verfolgt einen Sicherungszweck. Wer seine Einnahmen deklariert und korrekt versteuert, bekommt die Verrechnungssteuer wieder zurückerstattet. Wer die Einnahmen aber nicht deklariert und sie vor dem Fiskus versteckt, der kann sie auch nicht zurückfordern. Die Verrechnungssteuer belastet also nur jene, die ihre Einnahmen nicht korrekt deklarieren und versteuern.

Die Verrechnungssteuer ist aber nicht nur eine bewährte, sondern auch eine sehr ergiebige Steuer. Zusammen mit der Gewinnsteuer ist sie jene Bundessteuer, die sich in den letzten Jahren am dynamischsten entwickelt hat.

Es ist deshalb vollkommen unverständlich, dass die Mehrheit des Parlaments die Verrechnungssteuer auf Obligationen abschaffen möchte. Profitieren würden davon ein paar Konzerne und insbesondere ausländische Grossanleger. Die Spar- und Lohnkonti der Bevölkerung blieben selbstverständlich weiterhin verrechnungssteuerpflichtig.

Die Steuerausfälle dieses neuen Steuerprivilegs für ein paar wenige betragen bei einem normalen Zinsniveau 600-800 Millionen Franken pro Jahr. Und das in einem Zeitpunkt, in dem der Bevölkerung bei anziehender Teuerung eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zugemutet wird.

Zu den wichtigsten Grundsätzen des Steuerrechts gehört die Steuergerechtigkeit. Neue Steuerprivilegien für Konzerne, Grossanleger und den Finanzplatz verletzen die Grundsätze der Steuergerechtigkeit. Dazu gehören die Rechtsgleichheit und die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Mit dieser Vorlage haben der Bundesrat und die Parlamentsmehrheit den Kompass verloren.

Die Abschaffung der Verrechnungssteuer gehört deshalb zurück an den Absender. So wie dies vor kurzem mit der vorgeschlagenen Abschaffung der Stempelsteuer geschehen ist. Die Schweiz braucht kein Steuerrecht, bei dem am Schluss jene, die ihre Einnahmen korrekt versteuern, die Dummen sind.