Sibylle Treu betreut für das Schweizerische Rote Kreuz mit 20 Freiwilligen Schweizer Gastfamilien mit Ukraine-Flüchtlingen. Sie erzählt, was die grössten Herausforderungen für die Gastfamilien sind.
Worin besteht zurzeit ihre Aufgabe beim Roten Kreuz?
Sibylle Treu: Als Projektleiterin bin ich verantwortlich für die Betreuung der Schweizer Gastfamilien, die ukrainische Geflüchtete aufgenommen haben. Den Auftrag erhielten wir diesen Frühling vom Kanton.
Ihr Engagement in Zahlen?
Momentan betreuen wir mit rund 20 Freiwilligen an die 130 Gastfamilien.
Worin besteht die Betreuung konkret?
Wir nehmen immer zuerst Kontakt mit den zuständigen Gemeindebehörden auf, bevor wir die Gastfamilien besuchen. Diese Abstimmung ist zentral. Die Gastfamilien befragen wir dann in einem offenen Gespräch, wie es ihnen geht, wo allenfalls der Schuh drückt, wo und wie Unterstützungsbedarf besteht.
Worin bestehen denn die hauptsächlichen Probleme?
Zusammenleben ist immer eine Herausforderung, und bei den Gästen haben wir es oft mit Menschen zu tun, die durch die Situation in ihrer Heimat und die Flucht traumatisiert wurden. Das kann zu Reibungen im Zusammenleben führen. Hier bieten wir Unterstützung an durch Gespräche direkt vor Ort, aber auch durch die Vermittlung von Hotlines. Die gibt es zu medizinischen, sprachlichen, psychologischen Fragestellungen, um nur einige zu nennen. Jeder Fall ist wieder anders, und es ist unglaublich, was die Familien alles leisten, von der Administration bis zur Seelsorge.
Was motiviert die Freiwilligen?
Alle wissen: Helfen, sich in den Dienst am Mitmenschen stellen, egal welcher Herkunft, das gibt einem so viel für das eigene Leben. Weitere Freiwillige sind uns hochwillkommen, auch ausserhalb der Ukraine-Arbeit.
Immer wieder wird eine Ungleichbehandlung der Geflüchteten kritisiert, die bisherigen aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und anderen Ländern kämen nun zu kurz. Was sagen Sie dazu?
Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) stellt seine Arbeit unter ein grosses Motto: Engagement für mehr Menschlichkeit. Dies tut dringend Not, das zeigt nicht nur der Krieg in der Ukraine. Ich bin derzeit in der Ukraine-Angelegenheit tätig, das Rote Kreuz engagiert sich aber schon seit Jahren auch für die anderen Geflüchteten. Das ist fast etwas untergegangen in letzter Zeit. Hilfe in der Not kennt keine Unterschiede.