Weinfelden
«Ich will in die FDP»: Susanne Rutishauser spricht vor über 700 Menschen über ihre Beeinträchtigung, ihr Leben und ihre Ziele

Susanne Rutishauser ist die erste Peer-Mitarbeiterin im Kanton Thurgau und Rednerin am Sternmarsch in Weinfelden. Dieser findet diesen Freitag um 14 Uhr statt.

Linda Wamister
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Susanne Rutishauser bereitet sich mit Jürg Schoch auf ihre Rede auf dem Weinfelder Marktplatz vor.

Susanne Rutishauser bereitet sich mit Jürg Schoch auf ihre Rede auf dem Weinfelder Marktplatz vor.

Bild: Tobias Hug

«Bei meiner Geburt bekam ich zu wenig Sauerstoff und habe seither eine Lernschwäche.» Susanne Rutishauser wohnt bald in der Weinfelder Institution Hofacker und arbeitet bereits dort. Als Mensch mit Beeinträchtigung ist ihr das Thema Inklusion sehr wichtig. Sie will das Thema auch anderen Menschen näherbringen. Deshalb hält die Peer-Mitarbeiterin eine Rede am Sternmarsch in Weinfelden. «Ich will mich dafür einsetzen, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung eine Stimme erhalten.»

Rutishauser ist am Insos-Anlass diesen Freitag eine von mehreren Rednerinnen. In ihrer Rede wird Susanne Rutishauser auch die Behindertenrechtskonvention (BRK) der UNO erwähnen. «Wenn ich Menschen frage, ob sie die UNO-BRK kennen, sagen die meisten Nein», sagt sie. «Das möchte ich ändern.» Weiter wird die Peer-Mitarbeiterin von ihren Erfahrungen und aus ihrem Leben erzählen.

Und das Leben von Susanne Rutishauser ist spannend. Aktuell ist Susanne Rutishauser Peer-Mitarbeiterin. Sie strahlt, als sie erzählt, dass dies ihre neue Arbeit ist. Denn im Thurgau ist sie mit diesem Beruf eine Pionierin. Die 46-jährige arbeitet in der Stiftung Hofacker und unterstützt als Betroffene andere Menschen mit Beeinträchtigung und arbeitet mit ihnen zusammen. «Man kann viel von Susi lernen», erzählt Jürg Schocher, Gesamtleiter der Stiftung Hofacker, «Ich habe sie bei einem anderen Projekt entdeckt und sie angefragt, ob sie nicht zum Hofacker kommen will.»

In Weinfelden fühlt sich Susanne Rutishauser wohl.

In Weinfelden fühlt sich Susanne Rutishauser wohl.

Bild: Tobias Hug

«In Weinfelden fühle ich mich mehr zu Hause»

Aufgewachsen ist Susanne Rutishauser in Bottighofen, sie lebt aber schon länger in Weinfelden. Bald wird sie in der Wohnüberbauung Sonnenwinkel eine kleine Wohnung beziehen und somit vom betreuten ins begleitete Wohnen umziehen. «Das ist ein grosser Schritt in die Selbstständigkeit», sagt Rutishauser begeistert.

Weinfelden gefällt ihr persönlich sehr gut. Dennoch besteht noch Verbesserungsbedarf. «Mehr Busse nach ausserhalb wären besser», sagt Susanne Rutishauser und Schocher wirft ein: «Mit dem ÖV allgemein ist es nicht ganz so ideal.» Ebenfalls bemängelt er die Orientierung. «Es ist wenig bildlich ausgeschildert, für jemanden, der nicht lesen kann, ist das nicht ideal.»

Sie ist in vielen Projekten tätig

Ein Vorbild für alle Menschen: Susanne Rutishauser.

Ein Vorbild für alle Menschen: Susanne Rutishauser.

Bild: Tobias Hug

Die Weinfelderin ist nicht nur im Hofacker tätig. Auch ausserhalb der Stiftung ist sie in vielen Projekten miteingebunden. Unter anderem bei einem Projekt mit der Fachhochschule Ost. Rutishauser sensibilisiert mit Dozenten der Fachhochschule die Studierenden und vermittelt ihnen den Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigung zu Themen wie Alkohol, Liebe und Sexualität oder auch Selbstbestimmung. Die 46-Jährige hat sich auch bei der Behindertensession im Bundeshaus als Rednerin beworben. «Dass ich da nicht angenommen wurde, tut schon ein bisschen weh», sagt sie dazu.

Für die Politik interessiert sich Susanne Rutishauser sowieso. Ihr Ziel ist es, politisch aktiv zu sein. «Ich möchte gerne zur FDP», verkündet sie stolz. Sie findet es wichtig, dass das Menschen- und Behindertenrecht ausgebaut wird. Die Gesellschaft soll so geformt werden, dass es für Menschen mit einer Behinderung einfacher wird. «Die Gesellschaft darf noch bunter, spannender und vielfältiger werden – sonst sitzen alle, wie ich jetzt, ganz schwarz gekleidet, hier», sagt Jürg Schocher lachend.

Und genau dafür sei es gut, wenn Susanne Rutishauser nach dem Sternmarsch auf dem Weinfelder Marktplatz vor über 700 Personen ihre Rede halten kann. Jürg Schocher erwähnt einmal mehr: «Susi ist wirklich eine Pionierin und hat eine Vorbildfunktion.»