Kreuzlingen
Sexualität, Schule oder Selbstfindung: Für diese Schulsozialarbeiterin gibt es an der Kanti Kreuzlingen keine Tabuthemen

Das Projekt zur Einführung der Schulsozialarbeit an der Kantonsschule Kreuzlingen startet pünktlich zu Beginn des neuen Schuljahres. Die neue Schulsozialarbeiterin Barbara Dudli erklärt, was die Schulsozialarbeit der Schülerschaft bringen kann und warum es für sie keine Tabuthemen gibt.

Corina Tobler
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Probleme und Sorgen der Schülerinnen und Schüler sind ihr täglich Brot: Schulsozialarbeiterin Barbara Dudli.

Probleme und Sorgen der Schülerinnen und Schüler sind ihr täglich Brot: Schulsozialarbeiterin Barbara Dudli.

Bild: PD

Nicht nur fünf neue erste Klassen sowie die Vorbereitungsklasse, bestehend aus ukrainischen Sekundarschülerinnen und -schülern, starteten vergangene Woche in ihre Zeit an der Kantonsschule Kreuzlingen (KSK). Auch die 41-jährige Barbara Dudli hat ihren Posten als Schulsozialarbeiterin angetreten.

Sie unterstützt ab sofort die KSK-Gemeinschaft an einem Vormittag pro Woche tatkräftig bei Problemen und Sorgen. Schülerinnen und Schüler sowie die Mitarbeitenden können Termine im Vorfeld vereinbaren oder jeweils donnerstags spontan die Möglichkeit des Walk-Ins in der grossen Pause nutzen.

Prävention ist das Ziel

Obwohl das Pensum klein und das Projekt erst im Versuchsstadium ist, stiess die Ausschreibung der Stelle bei Barbara Dudli sofort auf Interesse. «Ich fand es cool, dass es auf Kanti-Stufe nun diese Möglichkeit gibt, Angebotsentwicklungsarbeit zu leisten.» Auch dass die Zielgruppe eine ganz andere sei als die bei ihrer Haupttätigkeit als Schulsozialarbeiterin an der Sekundarschule Befang in Sulgen, findet die zweifache Mutter aus Weinfelden spannend.

Als Person, die gerne kreativ arbeitet, ihren Garten liebt und sich für die Förderung von Biodiversität und Wildtieren interessiert, gefällt ihr der Campus in Kreuzlingen sehr. Auch sozial empfindet sie das Umfeld an der KSK als anregend – und Schulsozialarbeit auf dieser Stufe als absolut wichtig. Sie sagt: «Schulsozialarbeit schafft einen möglichst niederschwelligen Zugang zur Unterstützung, und zwar im Idealfall bevor eine Person im absoluten Krisenmodus ist.»

In der Prävention grösserer Schwierigkeiten sieht Barbara Dudli den Hauptvorteil der Schulsozialarbeit. Damit, erwähnt sie, spare man übrigens mittel- und langfristig auch Kosten.

Sich Unterstützung zu holen, ist eine Stärke

Dass Jugendliche an Kantonsschulen von einem Schulsozialangebot profitieren können, steht für Dudli ausser Frage. «Wir haben hier ein äusserst anregendes Umfeld voller leistungsstarker Jugendlicher sowie überdurchschnittlich viele High Potentials.» Diese seien aber genauso mit Schwierigkeiten konfrontiert und würden zudem durch eine Lebensphase mit vielen Veränderungen gehen.

Dass Privilegierte irgendeiner Art keine Probleme hätten, sei ein Trugschluss. «Die Frage ist dann vielmehr: Hole ich mir Unterstützung oder nicht? Ich sage: Unbedingt, denn das machen zu können, ist eine Stärke.»

Barbara Dudli untersteht als Schulsozialarbeiterin der Schweigepflicht, darf also nur auf expliziten Wunsch Auskunft an Eltern, Lehrpersonen oder andere Personen geben – mit Ausnahme von akut selbst- oder fremdgefährdendem Verhalten.

Es gebe, betont sie, auch keine Tabuthemen. «Kommt einfach mit allem, was ansteht. Probleme in der Schule, zu Hause, soziale Schwierigkeiten, Selbstfindung, Liebe, Sexualität. Ich kann vielleicht nicht bei allen Anliegen die weitere Begleitung, so sie nötig ist, selbst übernehmen, aber kann auf jeden Fall Anregungen dazu geben, wie und wo es weitergehen kann.»

Diskretion hat Priorität

Ihr Job sei es, Lösungsmöglichkeiten – auch mal kreativer Art – für die jeweilige Problemstellung zu finden, und das auf diskrete und direkte Art und Weise. «Man kann sich Schulsozialarbeit als eine Art Triage denken – ich unterstütze die Betroffenen dabei, das Problem einzuordnen, bin Türöffnerin und auf Wunsch auch ein Stück weit Begleiterin. Entscheidungen treffen und durch die mögliche offene Türe gehen müssen die Jugendlichen dann selbst.»

Ihre Tür an der KSK wird immer offenstehen. «Ich kann Personen, die mit mir einen Termin während des Schulmorgens haben, selbst dispensieren. Die Tür im Besprechungszimmer ist mit einem Sichtschutz versehen, um die Privatsphäre zu verbessern.»

Barbara Dudli, die sich selbst als offen, lösungsorientiert und vielseitig interessiert beschreibt, hofft, dass die Reaktionen der Schülerschaft an der KSK auf das neue Angebot ähnlich positiv sind wie diejenigen aus ihrem Umfeld. «Eine der häufigsten Reaktionen war die erstaunte Frage: «Was, das gibt es noch gar nicht an der Kanti? Toll, dass das kommt.»