Maturaarbeit
Als der Pfarrer eine Kollekte zur Erhaltung der Schule einzog: Nadine Scherrer erzählt die Schulgeschichte ihres Heimatdorfes Dietschwil

Die Geschichte ihrer ehemaligen Primarschule und die ihres Heimatdorfes Dietschwil haben die 18-jährige Nadine Scherrer schon immer fasziniert. Sie sind die Hauptthemen ihrer Maturaarbeit.

Beat Lanzendorfer
Drucken
Nadine Scherrer im Schulzimmer, in dem sie sechs Jahre unterrichtet wurde.

Nadine Scherrer im Schulzimmer, in dem sie sechs Jahre unterrichtet wurde.

Bild: Beat Lanzendorfer

Heute gilt die Schulpflicht in der Schweiz als selbstverständlich. Das war nicht immer so. Bevor in der Bundesverfassung vom Jahr 1874 die allgemeine Schulpflicht eingeführt wurde, mussten viele Kinder in Fabriken und in der Landwirtschaft arbeiten.

Auch in Dietschwil, das zur Gemeinde Kirchberg gehört. Davon und von der Geschichte ihres Heimatdorfes schreibt die 18-jährige Nadine Scherrer in ihrer Maturaarbeit.

Schule in Dietschwil hat ihre Daseinsberechtigung

Die Schule in Dietschwil hat bewegte Zeiten hinter sich. Die vorläufig letzte «Krise» mussten die Einwohnerinnen und Einwohner im Frühjahr 2021 überstehen, als von einer möglichen Schliessung ihrer Schule die Rede war. Diese Gefahr scheint vorerst gebannt. Laut Kirchberger Schulrat werde in den kommenden Jahren am Weiterbetrieb des Dietschwiler Schulhauses nicht gerüttelt.

Auf die jüngere Vergangenheit der Schule geht die 18-jährige Nadine Scherrer nicht näher ein. Trotzdem hat sie eine klare Meinung und erklärt, weshalb eine Schule in einem kleinen Dorf ihre Daseinsberechtigung hat:

«Eine Schule gehört zum Dorfleben, deshalb soll diejenige in Dietschwil erhalten bleiben.»

Und weiter: «Viele Menschen achten bei einem Umzug darauf, ob es am neuen Ort eine Schule hat. Ein Dorf ohne Schule ist viel weniger attraktiv.»

Seit 200 Jahren keinen Unterbruch der Schule

In ihren Beschreibungen legt Nadine Scherrer den Fokus auf die Anfänge der Dietschwiler Schule, die auf die Mitte des 18. Jahrhunderts zurückgehen. Zu jener Zeit wurde die Schule jeweils während sechs Wochen im Winter betrieben. Für die von finanziellen Nöten geplagte Bevölkerung war es häufig nicht möglich, das dafür erforderliche Schulgeld aufzubringen.

Kurzzeitige Besserung trat ein, als der damalige Pfarrer die Schule zum Thema seiner Predigt machte und die eingezogene Kollekte zur Bildung eines Schulfonds genutzt wurde. Dadurch war die Schule in den Folgejahren aber nicht vor neuerlichen Schwierigkeiten gefeit.

Das Dietschwiler Schulhaus am Ende des Dorfes ist in den Jahren 1965/1966 erbaut.

Das Dietschwiler Schulhaus am Ende des Dorfes ist in den Jahren 1965/1966 erbaut.

Bild: Beat Lanzendorfer

Nadine Scherrer berichtet in ihrer Maturaarbeit öfters von Problemen, mit denen die Schule ihres Heimatdorfes konfrontiert war. Seit dem Jahr 1821 und der Bewilligung zur Errichtung eines Schulhauses hätte es in Dietschwil bis zum heutigen Tag aber keinen Unterbruch des Schulbetriebs mehr gegeben.

Mit der Eröffnung eines neuen Schulhauses im Jahr 1841 war auch der räumliche Engpass vorerst Geschichte. Davor wurde in einem Privathaus an der Boolstrasse 11 unterrichtet. Das jetzige Schulhaus am Ende des Dorfes Richtung Oberwangen wurde in den Jahren 1965/1966 erbaut.

Eine spannende Dorfgeschichte

Ursprünglich wollte Nadine Scherrer die ganze Geschichte des Dorfes in ihrer Maturaarbeit zusammenfassen. Auf Anraten ihrer Betreuungsperson legte sie ihren Fokus auf die Schule, liess die Geschichte des Dorfes aber trotzdem einfliessen, weil ihre Familie väterlicherseits seit Generationen hier lebt.

In ihrer Recherche berichtet sie aus den Anfängen, als das Dorf die Bezeichnung «Thiotmarisvilare» hatte. Später, in der Zeit der Burgen und Ritter, hätte es in der Dietschwiler Höchi eine Burg mit Namen Sternegg gegeben. Der Dorfbrand am 23. Oktober 1759, die Zeit der beiden Weltkriege (1914 bis 1918 und 1939 bis 1945) oder die konfessionelle Verschmelzung sind weitere Themen, mit denen sich die Maturandin befasst hat.

Schulzeit beeinflusste den Berufswunsch

Nadine Scherrer hat nach eigenen Angaben ihre Schulzeit im Heimatdorf sehr genossen. «Ich habe das Mehrklassensystem immer als sehr angenehm empfunden.» Sie hat in Dietschwil den Kindergarten und die 1. bis 6. Klasse besucht. Anschliessend die Sekundarschule in Kirchberg. «Wir haben uns auch ausserhalb des Schulbetriebs auf dem Dietschwiler Pausenplatz getroffen.» Eine fleissige Schülerin sei sie nie gewesen, mit ihrer schnellen Auffassungsgabe hätte sie das aber kaschieren können. «Meine angenehme Schulzeit hat sicherlich meinen Berufswunsch beeinflusst.» Sie hätte mit einzelnen Lehrerinnen noch heute Kontakt, auch mit ehemaligen Mitschülerinnen halte sie die Verbindung aufrecht.

Nach Beendigung der Fachmittelschule an der Kantonsschule in Wattwil in diesem Sommer folgt ein weiteres Jahr bis zum Abschluss der Fachmatura. Anschliessend möchte sie sich an der Pädagogischen Hochschule in Rorschach zur Primarlehrerin ausbilden lassen. «Danach möchte ich Kindergärtnerin werden.»

Für die in Dietschwil aufgewachsene Nadine Scherrer ist klar, dass sie am liebsten immer hierbleiben möchte. «Ich bin kein Stadtkind und fühle mich mit meinem Heimatdorf verbunden. Viele Leute wollen nicht auf dem Land leben, ich finde das aber schön.» Da nehme sie auch einige Nachteile in Kauf. Unter anderem die eher schlechten Anbindungen an den öffentlichen Verkehr, vor allem am Wochenende.