Atelierbesuch
«Wir werden langsam zum Altherrenverein», scherzt ein Mitgründer des Kunstkollektivs Ohm 41 vor der nächsten Ausstellungseröffnung in Wil

Thomas «Fri» Freydl ist schon seit über 40 Jahren als freischaffender Künstler im Toggenburg tätig. Was ihn neben der Wiler Vernissage vom kommenden Sonntag noch so umtreibt, erzählt er umgeben von Maschinen – und mit Blick auf einen Kiosk.

Sascha Erni
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Fri Freydl in seinem Atelier in Lichtensteig.

Fri Freydl in seinem Atelier in Lichtensteig.

Bild: Sascha Erni

«Ich ertrinke zurzeit in Arbeit», sagt Thomas «Fri» Freydl, als er uns in seinem Lichtensteiger Atelier empfängt. Aus einem Radio klingt Musik der 70er- und 80er-Jahre. Überall stehen Geräte: Eine industrielle Bohrmaschine hier, ein Schweissbrenner da, Sägen und Fräsen, Äxte und Spachtel. Freydl lacht. «Es ist wirklich etwas strub im Moment.» Aber man merkt, eigentlich möchte er es nicht anders haben.

Im Untergeschoss des «Magasä» an der Lichtensteiger Bürgistrasse arbeitete Fri Freydl bis vor einer Woche an seinem Exponat für die Ausstellung «Füriohm», die am Sonntag in Wil Vernissage feiert (siehe Kasten). Das neue Kunstprojekt des Kollektivs Ohm 41 findet sich bis Anfang Juni im alten Feuerwehrdepot an der Tonhallestrasse. Fotos seiner Installation möchte Freydl vor der Vernissage lieber nicht zeigen: «Die Besucherinnen und Besucher sollen sich selbst ein Bild machen können.»

Ohm 41 im Turm

Von 14. Mai bis 4. Juni ist das Kunstprojekt «Füriohm» in der Liegenschaft Turm Wil, Tonhallestrasse 23, zu sehen. Das Rahmenprogramm ist umfangreich, so findet etwa am 25. Mai ein «Kunstkaraoke» statt, und für den 31. Mai ist unter dem Motto «Wil brennt» eine Diskussion mit Vertretern aus Kunst und Politik geplant. An fünf so genannten «Übungen» führt jeweils einer der Künstler durch die Ausstellung und steht für Gespräche zur Verfügung. Auch werden Führungen für Schulen und Vereine angeboten. Vollständiges Programm und weitere Informationen: www.ohm41.ch (ser)

Arbeiten aus Alu und Stahl

Thomas «Fri» Freydl ist eines der Gründungsmitglieder der Kunstgruppe Ohm 41.

Thomas «Fri» Freydl ist eines der Gründungsmitglieder der Kunstgruppe Ohm 41.

Bild: Sascha Erni

Fri Freydl ist 1961 in Flawil geboren und aufgewachsen. Seit den frühen 80er-Jahren lebt und arbeitet er als freier Künstler im Toggenburg, zuerst in Ganterschwil, dann in Lichtensteig. 1999 war er Gründungsmitglied des Wiler Kunstkollektivs Ohm 41. Obwohl er auch als Möbelbauer tätig ist – Freydl fertigt und verkauft im Magasä Unikate, die er «Wohnobjekte» nennt –, arbeitet er als Künstler vorwiegend mit Metall, Stahl, Holz und Stein.

Dann lässt er durchblicken, worum sich sein «Füriohm»-Objekt dreht. Er wolle die Flüchtlingskrise thematisieren, denn das Thema der Gruppenausstellung drehe sich im weitesten Sinne um die Feuerwehr, erklärt er. «Für mich ist eine Feuerwehr eine Truppe, die rettet.» Deshalb habe er sich für eine Installation mit einem grosses Alu-Flüchtlingsboot entschieden. «Man weiss, man muss die Menschen retten, aber wo fängt die Rettung an?», sinniert Freydl.

Ein Kiosk an der Thur

Im Gespräch wird klar, dass es nicht bloss die Arbeit für die kommende Vernissage ist, die Fri Freydl derzeit so in Beschlag nimmt. Stolz zeigt er einen selbst gebauten Kiosk-Wagen. Unter dem Motto «Stadtstrand» wird Freydl ab dem 3. Juni im Flötzli an der Thur bei Lichtensteig jeweils Freitag bis Sonntag den Kiosk betreiben. Ebenfalls im Flötzli saniert der Künstler eigenhändig eine Liegenschaft, in die er und seine Partnerin Christa Roth einziehen werden.

Das Magasä in Lichtensteig ist einerseits Wohnung, andererseits Werkstatt, Atelier und Verkaufsgeschäft.

Das Magasä in Lichtensteig ist einerseits Wohnung, andererseits Werkstatt, Atelier und Verkaufsgeschäft.

Bild: Sascha Erni

Das Magasä wird er sich ab dann mit dem Trogner Schauspieler und Musiker Michael Finger teilen. Er wolle sein Atelier weiter nutzen, sagt Fri Freydl. «Aber mittelfristig können wir es uns gut vorstellen, im Stadtufer Räume zu beziehen.» Da würde viel laufen, er sei gespannt, wie sich das genossenschaftliche Umnutzungsprojekt weiterentwickeln wird.

Gruppenausstellung statt Interventionen

Aber nun steht zuerst das «Füriohm»-Projekt an. Eigentlich hätte Ohm 41 über zwei Jahre eine Vielzahl an Aktionen und Interventionen überall in der Region geplant gehabt, erzählt Fri Freydl. Eine davon war zum Beispiel das Verrücken des «Verlorenen Schattens» in Lichtensteig, der Statue, die im Städtli immer wieder zu Diskussionen führt. Das Kollektiv wollte so herausfinden, ob Lichtensteig tatsächlich so offen ist, wie sich das Städtchen gerne gibt.

In einer öffentlichen Aktion verschob Ohm 41 im vergangenen Jahr das tonnenschwere Werk «Der verlorene Schatten» in Lichtensteig.

In einer öffentlichen Aktion verschob Ohm 41 im vergangenen Jahr das tonnenschwere Werk «Der verlorene Schatten» in Lichtensteig.

Bild: Sascha Erni

Viele weitere Aktionen waren geplant. «Aber wir haben gemerkt, dass es schwierig ist, die Menschen so oft anzusprechen – es verzettelt sowohl das Publikum als auch uns Kunstschaffende.» Dann kam der Gruppe die Idee, die Aktionen konzentriert an einem Ort im Rahmen einer Ausstellung zu bündeln, als eine Sammlung einzelner «Feuerwehreinsätze» quasi. «Wir beschlossen, es so umzusetzen, erst dann suchten wir die passende Location.» Die dann mit dem ehemaligen Feuerwehrdepot gefunden wurde.

Eine Gruppenausstellung also? So angriffig, wie die Kunstgruppe vor 20 Jahren noch war, als sie in Wil Strassen blockierte und die politische Konfrontation suchte, scheint sie heute nicht mehr. «Wir werden langsam alt, so richtig zu einem Altherrenverein», räumt Fri Freydl lachend ein. «Aber ja, ich werde froh sein, wenn das Vernissage-Wochenende durch ist.»

Mehr Werkstatt als Atelier: Thomas «Fri» Freydl schafft in Lichtensteig Kunst – aber auch «Wohnobjekte», wie er seine Möbel-Unikate nennt. Bilder: Sascha Erni