Keiner will sie haben

LICHTENSTEIG. Sie sind nicht hübsch anzusehen, keine knuddeligen kleinen Schosshunde, die sofort an einem hochspringen und nach Streicheleinheiten verlangen. Sie sind krank, alt, haben Angst vor Fremden und können nicht plaziert werden.

Martina Signer
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Chicky (links) und Fox – der nur zu Lara Geisselhardt Vertrauen hat – würden sich über Paten freuen. (Bild: Martina Signer)

Chicky (links) und Fox – der nur zu Lara Geisselhardt Vertrauen hat – würden sich über Paten freuen. (Bild: Martina Signer)

Die Rede ist unter anderem von Kim, dem Windhund, der erst seit kurzem bei Evi Geisselhardt im Tierheim und der Tierpension Sunneberg lebt. Er hätte eigentlich einen Platz gehabt, wurde dort aber von kleinen Hunden angegriffen. Er ist 15 Jahre alt und «eine Seele von einem Hund». «Er ist jetzt hier und er ist alt. Er kann kaum laufen und war nach meiner Einschätzung sein Leben lang irgendwo eingesperrt», sagt Evi Geisselhardt. Kim wird wohl keinen Platz mehr finden. Alte Hunde, die nur schwer Vertrauen fassen, will niemand haben. So ist er jetzt im Rudel von Evi Geisselhardt zu Hause. Er drückt sich in einer Ecke herum und beobachtet den Besuch freundlich, aber mit Abstand. Er wird hier wohl bleiben, bis er stirbt. «Jemand, der einem Hund noch zwei, drei schöne Jahre schenken will, findet man leider ganz, ganz selten», weiss die erfahrene Hundepsychologin, die seit Jahren Hunde und andere Tiere bei sich betreut und weitervermittelt.

Für einen ruhigen Lebensabend

Die Rede ist weiter von Fox. Fox ist ein Podenco mit einem zu kurzen Unterkiefer. Aufgrund dieser Fehlbildung war Fox nur noch Haut und Knochen, als er im Tierheim ankam. Er ist seit sieben Jahren in der Schweiz und war an sechs verschiedenen Plätzen.

Die letzte Besitzerin hat Evi Geisselhardts Nummer erhalten, wie es so oft geschieht, wenn es um hoffnungslose Fälle geht. Niemand hat gemerkt, dass Fox immer mehr abmagerte, weil er mit seiner zu langen Nase und dem kurzen Unterkiefer kein Futter aus einem Napf fressen konnte. «Ausserdem wurde er geschlagen.» Kein Wunder also, dass der sensible Hund kein Vertrauen mehr zu Menschen fassen kann. Einzig Geisselhardts Tochter Lara scheint einen Draht zu ihm gefunden zu haben. Doch: «Ein solcher Hund lässt sich kaum plazieren.» Denn Fox ist nicht hübsch, Fox sieht seltsam aus mit seiner Fehlbildung am Kiefer und weil er spindeldürr ist. «Ausserdem hatte er ja schon eine ganze Palette von Besitzern – und ist am Schluss immer wieder im Tierheim gelandet.» Und Evi Geisselhardt kann bei solchen Fällen nicht nein sagen: «Ob jetzt noch einer mehr oder weniger hier lebt, spielt keine Rolle. Diese Hunde tun mir leid und haben es verdient, hier zu sein.» Dabei denkt sie zuerst an das Wohl des Tieres, nicht an ihr eigenes. Denn gratis ist die Betreuung nicht. Und diese Hunde werden voraussichtlich alle so lange bleiben, bis sie sterben. Deshalb sucht Evi Geisselhardt Leute, die genau so viel Herz haben wie sie selbst. Leute, die eine Patenschaft für solche Tiere übernehmen, so dass diese einen ruhigen Lebensabend verbringen können. Neben Fox sitzt Chicky. Er trägt einen Parasiten im Körper, der ihn früher oder später dahinraffen wird. Chickys Organe werden irgendwann versagen. Ein Medikament lindert die Symptome zwar, doch es ist wiederum sehr schädlich für Chickys Nieren. Chickys Angst vor Menschen ist riesig. In den ersten Wochen hat er laut Evi Geisselhardt nur um sich gebissen. Fazit: Eine Plazierung ist unmöglich. Kranke Hunde bleiben so oder so im Tierheim. Diese will Evi Geisselhardt nicht vermitteln. Der Stress würde dafür sorgen, dass sich die Krankheiten noch schneller ausbreiten.

Wie bei Felicia, die Krebs hat. «Wir hätten sie schon oft plazieren können, aber aufgrund der Krankheit ist es nicht möglich.» Sie ist bis jetzt die Einzige, die in der glücklichen Lage ist, einen Götti zu haben. Dieser sorgt mit 50 Franken im Monat dafür, dass sie sorgenfrei im Rudel leben kann, bis der Krebs irgendwann überhand nehmen wird.

Leute, die Gutes tun wollen

Eine Gegenleistung für die Patenschaft gibt es in diesem Sinn nicht. Mit den Hunden können keine Fremden spazieren gehen. Die Katzen bekommen nicht gerne Besuch, sondern drängen sich völlig verschüchtert in die kleinsten Ecken, wenn fremde Leute um sie herum sind. «Wir suchen Leute, die etwas Gutes tun wollen», betont Geisselhardt. Die sie in ihrem Bestreben, auch hoffnungslosen Fällen ein Zuhause zu bieten, unterstützen.