Stadt St.Gallen
Befreiungsschlag: Stadtrat geht auf Kritik ein und prüft Varianten für Märkte auf dem neuen Marktplatz

Zu gross und falsch platziert: Der Marktpavillon, den das Vorprojekt für den neuen Marktplatz vorsah, löste bei den Marktfahrenden viel Kritik aus. Ein Rechtsgutachten zeigt nun, der Stadtrat kann das Projekt anpassen, ohne dass das dem Volkswillen widerspricht.

Marlen Hämmerli
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Der Baubeginn für die Neugestaltung von Marktplatz und Bohl verzögert sich um ein Jahr.

Der Baubeginn für die Neugestaltung von Marktplatz und Bohl verzögert sich um ein Jahr.

Bild: Arthur Gamsa (23. März 2021)

Der Marktplatz ist an diesem Morgen alles andere als belebt, mit einer Ausnahme: In einem Gebüsch sitzt ein ganzer Schwarm Spatzen. In einigen Jahren sollen sich auch Schwärme von Menschen auf dem Platz aufhalten: Die Belebung von Marktplatz und Bohl ist eines der Ziele der anstehenden Neugestaltung. Der Platz soll attraktiver werden, ein Treffpunkt, ein «Begegnungsort», wie es Stadtrat Markus Buschor nennt. Er und Stadträtin Sonja Lüthi sitzen im Amtshaus an einem Konferenztisch. Unweit des Marktplatzes, um den es an der Medienorientierung geht.

Hauptpunkt: Der Stadtrat wird verschiedene Lösungen prüfen für Marktpavillon und Marktstände sowie für das Zusammenspiel von ständigem Markt, Wochen- und Bauernmarkt. Ein externes Rechtsgutachten hat ergeben, dass Anpassungen möglich sind, ohne den Volkswillen zu verletzen. Bis anhin war unklar, wie eng sich der Stadtrat an die Ideen halten muss, über die das Volk im Herbst 2020 abgestimmt hatte.

Stadt muss Infrastruktur bauen, hat aber Spielraum

Das Gutachten hält nun aber laut Buschor fest: Das Volk hat für Sanierung und Neugestaltung von Marktplatz und Bohl einen Rahmenkredit gesprochen über 29,1 Millionen Franken. Damit muss der Stadtrat Lösungen finden für die verschiedenen Nutzungen. Projektanpassungen bei Marktbauten sind möglich.

Das Vorprojekt sah für rund sechs Millionen Franken einen zweiteiligen Marktpavillon mit Vordach vor. Das Projekt war unter Einbezug von Marktfahrenden weiterentwickelt worden. Diese fühlten sich aber nicht zu Genüge angehört. Der geplante Pavillon sei zu gross und durch seine Platzierung würden die Märkte auseinandergerissen, so die Kritik.

Nachdem das Vorprojekt der Öffentlichkeit vorgestellt worden war, brachten sie daher einen eigenen Vorschlag ein: Der Pavillon sollte verkleinert werden und an der Treppe zum Blumenmarkt platziert werden. Der ständige Markt solle in frei stehenden Ständen untergebracht werden. Wochen- und Bauernmarkt könnten ihre Stände dann ringsum aufstellen und die Märkte sich als Einheit präsentieren.

Die Anliegen sollen in den Varianten, die die Stadt nun prüft, aufgenommen werden. Buschor nennt zwei Punkte: die frei stehenden Stände für den ständigen Markt und das Zusammenspiel aller Märkte. Was die Varianten genau beinhaltet, ist laut Buschor noch unklar. Diese würden jetzt anhand eines Kriterienkatalogs ausgearbeitet.

Stadtrat Markus Buschor, Direktion Planung und Bau.

Stadtrat Markus Buschor, Direktion Planung und Bau.

Bild: Arthur Gamsa

Märktler wünschen sich gut isolierte Stände

Die Vertreterinnen und Vertreter des ständigen Markts und der Rondelle reichten für den Katalog die Anforderungen ein, die für ihre Marktlösung nötig sind, sagt Peter Wetli. Er vertritt den Verein Marktfrisch St.Gallen, in dem sich der ständige Markt, der Wochenmarkt und Anbieter der Rondelle organisiert haben. Bei den Kriterien stand unter anderem im Vordergrund: gut isolierte Stände, die Möglichkeit, die Produkte geschützt von jeder Witterung präsentieren zu können, Wasser- und Stromanschluss. Beheizte oder klimatisierte Räume seien nicht nötig.

Je nach Ausgang der Variantenprüfungen wird auch das Konzept zum Marktbetrieb angepasst. Das betrifft zum Beispiel die Anlieferung für Marktfahrende, sagt Stadträtin Sonja Lüthi. Ein Anliegen der Märktler sei, dass sie auf dem Platz parkieren und Waren laufend aus ihren Transportern holen können. «Wir werden prüfen, ob das machbar ist. Wenn es Änderungen an den Bauten gibt, schafft das eventuell mehr Platz.»

Stadträtin Sonja Lüthi, Direktion Soziales und Sicherheit.

Stadträtin Sonja Lüthi, Direktion Soziales und Sicherheit.

Bild: Michel Canonica

Die Marktfahrerinnen und Marktfahrer seien positiv gestimmt, was die weitere Entwicklung betrifft, sagt Peter Wetli. Er blickt von seinem Stand aus über den fast leeren Platz und sagt: «Wenn wir jetzt schon die Möglichkeit haben, wollen wir einen attraktiven Markt schaffen. Einen, der die Bevölkerung aus Stadt und Agglomeration ins Zentrum lockt.» Er sei zuversichtlich, dass mit der Stadt nun eine Lösung gefunden werde, die viele der Kriterien erfülle. «Wir befinden uns auf einem guten Weg.»

Baustart für Neugestaltung verzögert sich, Fernwärme wird vorgezogen

Bauchweh bereitet ein anderer Punkt: Die Bauarbeiten für die Fernwärme: Weil die Stadt Varianten für die Marktbauten prüft, verschiebt sich der Baustart für die Neugestaltung. Mit den Arbeiten für die Fernwärme kann aber laut Baudirektor Buschor nicht zugewartet werden. Das Risiko sei nicht mehr tragbar. Die Leitungen am Schibenertor und an der Musikschule müssen miteinander verbunden werden, damit das System Redundanz erhält. Das heisst: Fällt ein Teil des Netzes aus, kann das durch einen anderen Teil kompensiert werden. Die Heizung läuft weiter, die Stuben bleiben warm.

Frühester Baubeginn für die Fernwärme ist im Herbst 2023. Bis September 2024 muss der sogenannte Ringschluss fertig sein. «Die Arbeiten erfolgen so, dass mindestens der ständige Markt nicht weg muss», sagt Buschor. «Wir werden nicht aufs Mal vom Schibenertor bis zum Waaghaus einen Graben öffnen, sondern ihn in relativ kleinen Etappen realisieren.» Wochen- und Bauernmarkt müssten allenfalls in die Marktgasse ausweichen, sagt Lüthi. Erst müsse aber geklärt werden, wo genau die Leitungen entlang führen sollen. Angedacht ist laut Buschor, sie möglichst entlang der Gebäude zu verlegen.

Peter Wetli sagt: «Wir hätten es natürlich am liebsten gehabt, wenn alle Arbeiten in einem Aufwisch erfolgt wären.» Von Januar bis März ist auf dem Markt am wenigsten Betrieb. Wetli hofft, dass dies bei den Arbeiten berücksichtigt wird. «Dann kommen wir sicher aneinander vorbei.»

Peter Wetli, Sprecher des Vereins Marktfrisch St.Gallen.

Peter Wetli, Sprecher des Vereins Marktfrisch St.Gallen.

Ralph Ribi

Zu den Planungen für die Neugestaltung: Diese seien nie ganz eingeschlafen, sagt Buschor. «Aber jetzt gehen wir wieder voller Elan daran.» Im Frühling wird der Stadtrat über die Lösung für den Markt entscheiden. In einem Jahr soll das Projekt zur Einsprache aufliegen. Frühester Baustart ist 2025, ein Jahr später als vorgesehen. Buschor: «Wir starten lieber etwas verspätet, dafür mit einem guten Projekt.» Die Arbeiten sollen zwei Jahre dauern. Eine Unsicherheit gibt es: mögliche archäologische Funde. «Wenn flächendeckende Grabungen nötig werden, kann das Jahre gehen», sagt Buschor. Erst stehen aber die Arbeiten zur Fernwärme an.

Diese Punkte interessierten ausserdem in der Mitwirkung

An der Mitwirkung zur Neugestaltung von Marktplatz und Bohl haben 25 Privatpersonen, Organisationen und Unternehmen teilgenommen. Insgesamt gingen 267 Eingaben ein. Am Donnerstag haben Stadträtin Sonja Lüthi und Stadtrat Markus Buschor vor den Medien die Ergebnisse präsentiert. Der 87-seitige Bericht ist online für alle einsehbar.

Haltekanten erhalten Kissen

Eine Thema, das an der Mitwirkung beschäftigte, war die Höhe der Haltekanten. Künftig halten Busse und die Appenzeller Bahnen (AB) an derselben Kante. Das Problem: Für einen ebenerdigen Einstieg muss die Kante bei Bussen 22 Zentimeter hoch sein, bei den AB sind es 32 Zentimeter. Das Vorprojekt sah eine durchgängige Höhe von 22 Zentimetern vor. Die Begründung: 95 Prozent der ÖV-Nutzenden am Marktplatz nehmen den Bus.

Nun hat sich der Stadtrat aufgrund der Mitwirkung für die sogenannte Kissenlösung entschieden. Die Kante wird bei der vorderen Tür der Bahn auf 32 Zentimeter erhöht. Buschor: «Simpel gesagt ist das ein Buckel in der Haltekante.»

Sorgen wegen Pflästerung, Rondelle und Wartehallen

Über ungebundene und gebundene Pflästerungen wurden in St.Gallen schon epische Debatten geführt. Auch bei der Mitwirkung zum neuen Marktplatz kam die Frage auf. Der Stadtrat habe sich für die ungebundene Variante entschieden, sagt Buschor. «Es ist ein Gebot der Zeit, Flächen nicht mehr zu versiegeln.» Es gebe wenige Ausnahmen. So müssten die Böden unter Dächern etwa versiegelt werden. «Sonst staubt es.»

Auch zum Erhalt der Rondelle gab es Eingaben. Der Stadtrat hält daran fest, dass sie wegkommt. Damit werde in der Marktgasse Raum frei. Dem sei bei der Abstimmung zugestimmt worden. Die Wartehallen bleiben ebenfalls, wie sie sind. Gewerbetreibende befürchten, dass die Häuschen die Schaufenster verdecken könnten. Dem sei nicht so, sagt Buschor. Die Wartehallen würden möglichst transparent gestaltet. Bei der Höhe habe man Rücksicht genommen auf die Häuserfassaden. Weil das Trottoir verbreitert wird, bleibe der Weg zwischen Wartehallen und Häuserzeile gleich gross wie heute.