Politik
«Kontinuität ist angesichts vieler Krisen wichtig»: Vier von fünf Mitgliedern des Stadtrates Frauenfeld wollen nochmals – inklusive Stadtpräsident Anders Stokholm

Die Überraschung bleibt aus: Für die Stadtratswahlen vom 12. März 2023 wollen bis auf Stadträtin Elsbeth Aepli Stettler (Mitte), die ihren Verzicht bereits kundgetan hat, alle Stadtratsmitglieder eine weitere Legislatur mitregieren. Dennoch ist bereits jetzt klar: es wird zur Kampfwahl kommen.

Samuel Koch
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Lächeln fürs Foto auf der Terrasse des Staatsarchivs mit St.Nikolauskirche und Stadtkaserne im Hintergrund: Stadtpräsident Anders Stokholm und die Stadtratsmitglieder Fabrizio Hugentobler (beide FDP), Andreas Elliker (SVP) und Barbara Dätwyler Weber (SP).

Lächeln fürs Foto auf der Terrasse des Staatsarchivs mit St.Nikolauskirche und Stadtkaserne im Hintergrund: Stadtpräsident Anders Stokholm und die Stadtratsmitglieder Fabrizio Hugentobler (beide FDP), Andreas Elliker (SVP) und Barbara Dätwyler Weber (SP).

Bild: Samuel Koch

Spannung ist garantiert, auch wenn am Dienstagmittag auf der Terrasse des Staatsarchivs keine Bombe platzt. Denn nebst Stadtpräsident Anders Stokholm (FDP) stellen sich bis auf Elsbeth Aepli Stettler (Mitte) alle bisherigen drei Stadtratsmitglieder für eine weitere Legislatur zur Wahl, die am 12. März 2023 ansteht. Es sind dies Barbara Dätwyler Weber (SP), Andreas Elliker (SVP) und Fabrizio Hugentobler (FDP), alle seit 2019 im Amt.

Elsbeth Aepli Stettler (Mitte), Vizestadtpräsidentin und Vorsteherin Departement für Alter und Gesundheit, 2003–2023.

Elsbeth Aepli Stettler (Mitte), Vizestadtpräsidentin und Vorsteherin Departement für Alter und Gesundheit, 2003–2023.

Bild: Tobias Garcia

Vizestadtpräsidentin Aepli Stettler (Departement Alter und Gesundheit) hat bereits vor über einem Jahr zur Halbzeit der laufenden Legislatur durchblicken lassen, dass ihre seit 2003 laufende Amtszeit nach 20 Jahren enden wird.

Spannung ist deshalb garantiert, weil mit Regine Siegenthaler (Mitte) und Andrea Hofmann Kolb (CH) bereits zwei Kandidaturen für einen der vier Sitze bekannt sind. CH will mit Hofmann Kolb den 2019 an die FDP verloren gegangenen Sitz zurückholen. Zur derzeitigen Übervertretung des Freisinns im Stadtrat sagt Hugentobler:

«Stadtratsarbeit ist nicht Parteiarbeit, sondern Sachpolitik.»

Wer ihn wähle, soll dies aufgrund seiner bisherigen Leistung und Arbeit machen. Und Stadtpräsident und Parteikollege Stokholm, der seiner Wiederwahl ohne bisherige Gegenkandidatur entgegensieht, meint: «Es braucht einen ausgeglichenen und ausgewogenen Stadtrat, der auch den Parteien zuhört, die nicht in der Regierung vertreten sind.» Der jetzige Stadtrat höre stets hin, sofern etwas aus anderen Parteien komme.

Anders Stokholm, Stadtpräsident und Vorsteher Departement Finanzen und Zentrales, seit 2015.

Anders Stokholm, Stadtpräsident und Vorsteher Departement Finanzen und Zentrales, seit 2015.

Bild: Donato Caspari

Energiekrise, Stadtkaserne, Ukraine-Krieg

Unabhängig davon, wer über seinen Wunsch für eine weitere Legislatur spricht, alle anwesenden Stadtratsmitglieder unterstreichen die befruchtende Zusammenarbeit mit guter Stimmung im fünfköpfigen Gremium.

Viele Projekte «sind angepackt, aber noch nicht auf den Boden gebracht», wie es Stokholm (Finanzen und Zentrales) meint. Der frisch gekürte Präsident des Schweizerischen Städteverbands (SSV) zählt vergangene Krisen wie den Wahlbetrug und die Pandemie oder zukünftige Herausforderungen wie die Digitalisierung, die Energiekrise, den Klimawandel, die Stadtkaserne oder den Ukraine-Krieg auf. Und er meint:

«Das ruft nach einer Fortsetzung. Kontinuität ist wichtig.»

Regelrecht Feuer gefangen für die Politik hat Dätwyler Weber (Gesellschaft und Soziales). Die jetzigen Stadtratsmitglieder hätten in der Krise zusammenwachsen müssen. «Wir streiten gerne, aber wir lachen auch gerne zusammen», sagt sie. Darum soll es in dieser Konstellation weitergehen.

Barbara Dätwyler Weber (SP), Stadträtin und Vorsteherin Departement für Gesellschaft und Soziales, seit 2019.

Barbara Dätwyler Weber (SP), Stadträtin und Vorsteherin Departement für Gesellschaft und Soziales, seit 2019.

Bild: Donato Caspari

Elliker (Bau und Verkehr) unterstreicht diese Aussage und verneint mögliche Befürchtungen, im Stadtrat herrsche ein Kuschelkurs. Er sagt:

«Wir tun einander weh, aber es herrscht auch eine gute Kultur.»
Andreas Elliker (SVP), Stadtrat und Vorsteher Departement Bau und Verkehr, seit 2019.

Andreas Elliker (SVP), Stadtrat und Vorsteher Departement Bau und Verkehr, seit 2019.

Bild: Ralph Ribi

Ausserdem deutet er den Wunsch für einen Departementswechsel an. Auf Nachfrage präzisiert er, für Überlegungen von möglichen Rochaden sei es noch zu früh. Beinahe poetisch meint er:

«Es ist wie mit einer Flaschenpost auf der Murg, und ich bin motiviert, nochmals Inhalt davon zu sein.»

Und Hugentobler (Thurplus, Freizeit und Sport) sagt sec: «Ja, ich will.» Er möchte beim Grossprojekt Badi-Neubau nicht nur beim Ausschwimmen dabei gewesen sein, sondern auch beim Einschwimmen. Er hofft also auf vier weitere Jahre, «möglichst frei von Krisen», wie er betont.

Fabrizio Hugentobler (FDP), Stadtrat und Vorsteher Departement für Thurplus, Freizeit und Sport, seit 2019.

Fabrizio Hugentobler (FDP), Stadtrat und Vorsteher Departement für Thurplus, Freizeit und Sport, seit 2019.

Bild: Andrea Stalder

Gelebte Parität zwischen Frauen und Männern

Die Frist für die Aufnahme auf die offizielle Wahlliste endet erst im Januar. Und bekanntlich könnten auch später noch Kandidierende aus der Deckung kommen. Mit Siegenthaler und Hofmann Kolb könnte sich auch die Geschlechterverteilung verändern.

Mit Stadtschreiberin Bettina Beck herrsche jetzt schon geschlechtertechnische Parität, was Stokholm goutiert und wie er es sich wieder vorstellen kann. Dätwyler Weber freut sich übers weibliche Interesse, stellt aber das Abbild der Bevölkerung in den Fokus und sagt: «Für die Arbeit spielt das Geschlecht keine Rolle.»

Ohne die Nominationsversammlungen der jeweiligen Parteien vorgreifen zu wollen, äussern sich alle zu einem möglichen Aspirieren auf einen Sitz im National- oder Ständerat. Stokholms Ausgangslage bleibt angesichts der Unvereinbarkeit und seit der Wahl ins SSV-Präsidium unverändert. «Ich habe es nicht im Sinn. Ich aspiriere in den nächsten Jahren nicht für ein Amt im National- oder Ständerat», wiederholt er.

Für Elliker und Hugentobler ist wegen der grossen Belastung ein Mandat weder im Grossen Rat noch in Bern ein Thema. Dätwyler Weber gibt zu, es gebe geweckte Begehrlichkeiten in ihrer Partei. «Gespräche finden statt, entschieden ist aber noch nichts», sagt sie. Im Grossen Rat möchte sie sicher bleiben, gerade als amtierende Grossratspräsidentin.