Rorschach
Rassistisch oder einfach nur «geschmacklos»? Rorschacher «Mohrenkopf»-Verkäufer stand wegen Rassendiskriminierung vor dem Kantonsgericht

Am Dienstag stand ein Imbissunternehmer wegen Rassendiskriminierung zum zweiten Mal vor Gericht, nachdem das Kreisgericht Rorschach ihn freigesprochen hatte. Der Mann hatte im Sommer 2020 schwarz bemalt «Mohrenköpfe» der Firma Dubler verkauft. Das Urteil steht noch aus.

Enrico Kampmann
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Mit dieser Aktion begannen die Diskussionen: Markus Heim hatte in Rorschach als Schwarzer verkleidet Dubler-«Mohrenköpfe» verkauft.

Mit dieser Aktion begannen die Diskussionen: Markus Heim hatte in Rorschach als Schwarzer verkleidet Dubler-«Mohrenköpfe» verkauft.

Bild: PD

Entwichen scheint der Kampfgeist, den Markus Heim während des letzten Verfahrens noch an den Tag legte. Im September 2020 hatte er sich gegen einen Strafbefehl wegen Rassendiskriminierung gewehrt. Damals sagte er in dieser Zeitung: «Ich will keinen Strafbefehl – ich will ein Urteil.» Der Tenor aus seinem Bekanntenkreis sei eindeutig gewesen: «So etwas musst du dir nicht gefallen lassen!»

Nach einem Freispruch vor dem Kreisgericht Rorschach vor einem Jahr musste sich Heim nun am Dienstag vor dem Kantonsgericht verantworten, weil die Staatsanwaltschaft den Fall weiterzog. Es wirkt zuweilen, als würde er seinen damaligen Entscheid bereuen. Seine Stimme zittert während der Befragung. Fortwährend beteuert er, dass keine rassistischen Absichten hinter seiner Aktion gestanden hätten.

Im Kontext der Rassismusdebatte

Heim hatte im Sommer 2020 auf einem Rorschacher Firmengelände «Mohrenköpfe» der Firma Dubler feilgeboten – schwarz angemalt, in einen goldenen Umhang gehüllt, mit einer Kraushaarperücke auf dem Kopf. Anlass für die Aktion war, dass die Migros die Süssspeise kurz zuvor aus dem Sortiment genommen hatte. Dies, weil sich die Herstellerfirma weigerte, den umstrittenen Namen des Produkts zu ändern.

All dies geschah im Kontext der Black-Lives-Matter-Proteste (BLM-Proteste) in den USA, welche auch in der Schweiz eine Debatte über Rassismus auslösten. Am 25. Mai 2020 war in Minneapolis der US-Afroamerikaner George Floyd bei einer gewaltsamen Festnahme durch Polizisten getötet worden, was zu heftigen Ausschreitungen in den USA und einer weltweiten Protestwelle führte.

Seine Schokoküsse waren schnell verkauft

Imbissunternehmer Markus Heim.

Imbissunternehmer Markus Heim.

Bild: Daniel Walt

Vor Gericht betont der 58-jährige Wurstverkäufer, dessen Leidenschaft nach eigenen Angaben das Schreiben erotischer Romane ist, immer wieder, er habe lediglich eine Promotion für ein «Schweizer Traditionsprodukt» durchgeführt mit dem Gedanken, sich mit dem Verkauf von Schokoküssen ein «zweites Standbein» nebst seinem Wurststand aufzubauen.

«Das hatte rein gar nichts mit Rassismus zu tun!»

Zudem seien seine 350 «Mohrenköpfe» im Nu verkauft gewesen. «Hätten es die Leute für rassistisch gehalten, hätte ich wohl kaum so viele verkauft.»

Allerdings macht der Richter darauf aufmerksam, dass wegen der Aktion mehrere Meldungen bei der Polizei eingegangen seien. Ausserdem sagte eine Mitarbeiterin des Unternehmens, vor dem Heim seinen Stand aufgebaut hatte, gegenüber dieser Zeitung am Tag der Aktion, das Telefon läute im Minutentakt: «Die Leute reklamieren und wollen wissen, wer das war.»

Heim sagt, er könne nach wie vor zu der Aktion stehen. Wie man den Zusammenhang zwischen einem Mohrenkopf und schwarzen Menschen herstellen könne, verstehe er nicht. Er habe sich aus Spass und Freude verkleidet. «Dass ich deswegen in die rassistische Ecke gedrückt werde, finde ich jenseits von Gut und Böse.» Und weiter:

«Diejenigen, die in dieser Aktion etwas Rassistisches sehen, sind wahrscheinlich rassistischer als ich.»

Ob er sich jemals Gedanken darüber gemacht habe, ob sich Menschen dunkler Hautfarbe durch seine Aktion beleidigt fühlen könnten, fragt ihn eine Richterin am Ende der Befragung. Heim: «Nein, darüber habe ich mir null Gedanken gemacht.»

«Zeiten ändern sich»

Die Staatsanwaltschaft fordert eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 Franken und eine Busse von 200 Franken. Zudem sollen dem Beschuldigten die Kosten für das Verfahren auferlegt werden. In seinem Plädoyer zitiert der Ankläger zunächst den Richter der Vorinstanz.

Dieser begründete den Freispruch unter anderem damit, dass Begriffe, die stark dem Zeitgeist unterliegen, eine schwierige Grundlage für eine strafrechtliche Verurteilung seien. Als er ein Kind gewesen sei, hätten kleine schwarze Katzen oft «Negerli» geheissen. Deswegen sei man jedoch nicht gleich rassistisch gewesen. «Doch Zeiten ändern sich», sagt der Ankläger. Heute würde man seine Katze bestimmt nicht mehr so nennen.

Das Kreisgericht Rorschach habe den Freispruch zudem damit begründet, dass der Auftritt des Beschuldigten als dunkelhäutiger Mensch «aus Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Dritten nicht zwingend mit einer Diskriminierung oder Herabsetzung dunkelhäutiger Menschen» verbunden gewesen sei. Doch vor dem Hintergrund des «grässlichen Erstickungstods» des Afroamerikaners George Floyd und der dadurch auch in der Schweiz ausgelösten Rassismusdebatte, argumentiert der Ankläger, sei die Aktion von Durchschnittsbürgern sehr wohl als rassistisch wahrgenommen worden.

«Ausschlaggebend ist die Wirkung der Aktion im damaligen Kontext.»

Der Kontext darf keine Rolle spielen

Die Argumente der Verteidigung sind weitgehend dieselben wie in der Vorinstanzverhandlung. So wies der Verteidiger darauf hin, dass es in diesem Verfahren nicht darum gehe, ob Heims Aktion geschmacklos oder unangebracht gewesen sei, sondern dass es einzig und allein darum gehe, ob sich Heim der Rassendiskriminierung schuldig gemacht habe.

Dem sei nicht der Fall, so der Verteidiger. Für die Strafbarkeit dürfe es keine Rolle spielen, ob die Aktion vor den BLM-Protesten stattgefunden habe oder danach. Denn der rechtliche Kontext sei derselbe. Entscheidend sei, dass Heims Promotionsaktion keinerlei Elemente enthalten habe, die darauf abzielten, dunkelhäutigen Menschen die Gleichwertigkeit oder die Daseinsberechtigung abzusprechen.

«Zurückgebliebenheit, Minderwertigkeit oder Primitivität wurden in keinster Weise vermittelt.»

Urteil steht noch aus

Am Montag schrieb die St.Galler Staatsanwaltschaft, man erhoffe sich «im Hinblick auf allfällige künftige vergleichbare Fälle einen Grundsatzentscheid – zumindest auf Stufe Kantonsgericht». Dieser Grundsatzentscheid bleibt allerdings vorerst noch aus. Das Urteil wird in den nächsten Tagen bekanntgegeben.