Berlingen soll sich weiterentwickeln. Jedoch gehört der Dorfkern zum schützenswerten Ortsbild. Obwohl gemäss Vorschriften verdichteter gebaut werden soll, müssen somit gewisse freie Flächen belassen werden. Nun wird im Rahmen eines schweizweit einzigartigen Projekts nach Lösungen gesucht.
Einen gangbaren Weg finden trotz Widersprüchen: Das ist das Ziel des Pilotprojekts Ortsbaulicher Entwurf Berlingen. Dafür ist sogar die Ortsplanungsrevision unterbrochen worden. Der Dorfkern Berlingens gehört zum Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS). Und während es gemäss ISOS-Vorschriften gilt, gewisse Flächen freizuhalten, heisst es im Rahmen der zukünftigen Ortsentwicklung, verdichteter zu bauen.
«Wir möchten nun herausfinden, wie wir in Berlingen verdichtet bauen können, ohne das Ortsbild zu zerstören.»
So fasst Gemeindepräsident Ueli Oswald das Vorhaben zusammen. Dafür ist der Verein Forum Raumordnung Schweiz miteinbezogen worden.
Wie es an einer Informationsveranstaltung zum Thema Ortsplanungsrevision im März des vergangenen Jahres hiess, zählt Berlingen 907 Einwohner und weist eine Fläche von 397 Hektaren aus. Davon sind 200 Hektaren Wald. Gemeindepräsident Oswald sagte damals: «Unsere Infrastruktur reicht bis zu 1000 Einwohnern. Also haben wir noch Potenzial.»
Er habe nun jedoch von einigen anderen Gemeinden gehört, dass ihre Ortsplanungsrevision nicht vom Kanton akzeptiert worden sind. «Sie haben sich zu wenig mit dem Thema ISOS auseinandergesetzt.» Daher habe der Berlinger Gemeinderat beschlossen, einen anderen Weg einzuschlagen und frühzeitig mit Spezialisten ein mögliches Vorgehen zu erörtern. Dieser Auftrag wurde Ende 2022 an den Verein Forum Raumordnung Schweiz vergeben.
Die Mitglieder des Vereins waren bereits zu einer Besichtigung vor Ort in Berlingen. Als nächster Schritt findet Anfang Mai ein sogenanntes Werkstattgespräch statt, wobei Lösungsansätze präsentiert und diskutiert werden. Mit dabei seien auch Vertreter der kantonalen Denkmalpflege und des Amtes für Raumentwicklung, sagt Oswald. «Die Denkmalpflege hat unsere Idee der Zusammenarbeit mit den Spezialisten des Vereins Forum Raumordnung Schweiz für gut befunden und unterstützt das Projekt auch finanziell.»
Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nach dem Zusammentreffen und Austausch der Beteiligten in geeigneter Form in die Ortsplanungsrevision eingebracht werden. Die Lösungsansätze könnten allerdings nicht nur für Berlingen hilfreich sein. «Viele Gemeinden haben das gleiche Problem mit den ISOS-Vorschriften auf der einen und den Verdichtungsvorschriften auf der anderen Seite», erklärt Gemeindepräsident Oswald. Die Berlinger Lösungsfindung könnte sich somit überregional etablieren.
Aber ob überhaupt ein Kompromiss und damit ein gangbarer Weg zwischen den Vorschriften gefunden werden kann, ist derzeit noch unklar. «Wer heute Berlingen anschaut, bewundert die Bauweise. Deswegen ja auch der Ortsbildschutz», sagt Oswald.
«Würde man das Dorf aber nach dem heutigen Baureglement errichten, könnte man niemals das gleiche Ortsbild erschaffen. Gesetze wie etwa die Grenzabstände verhindern das.»
Die kantonale Denkmalpflege hat an einer Medienorientierung Ende März allerdings bekannt gegeben, sich neu auszurichten. Das Hinweisinventar wird überarbeitet und neu kategorisiert. Wenn ein darin enthaltenes Objekt beispielsweise baulich vom Originalzustand völlig verändert wurde, entfällt der Schutzstatus. In einem weiteren Schritt soll der Ortsbildschutz verbessert werden.
Für Gemeindepräsident Oswald ist trotz aller Hindernisse klar: Berlingen muss sich weiterentwickeln - ISOS-Vorschriften und Ortsverdichtung hin oder her. «Doch aktuell sind uns noch die Hände gebunden.»