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Ostschweiz
Arbon, Kreuzlingen, Weinfelden
Vor dem Bezirksgericht Weinfelden fordert ein Schweinezüchter Schadenersatz wegen einer eingeschleppten Krankheit in seinem Stall. Die beklagte Vermarktungsgesellschaft wehrt sich dagegen und weist alle Schuld von sich.
Der Kläger aus dem Thurgau hat einen Deck- und Wartebetrieb für Schweine und ist einem AFP-Ring angeschlossen, welcher von einer Thurgauer Schweinevermarktungsgesellschaft geführt wird. Ab dem Jahr 2014 kam es zu Erkrankungen seiner Tiere mit dem Erreger Streptococcus Porkinus, dieser führt zu Hautinfektionen und Abszessen bei den Tieren.
Die Schweinezucht wird in der Schweiz häufig in Ringen organisiert, in einer sogenannten Arbeitsteiligen Ferkel Produktion (AFP). Das bedeutet, die einen Schweinehalter konzentrieren sich in ihren Deck- und Wartebetrieben darauf, ihre Muttersauen besamen zu lassen und sie während der Tragzeit zu füttern. Kurz vor dem Abferkeln werden die Sauen dann an Abferkelbetriebe verkauft, wo die Muttersauen ihre Jungen zur Welt bringen und in den ersten Tagen säugen. Diese werden dort gemästet bis zur Schlachtung. Die Muttersau wird wieder zurück an den Deckbetrieb verkauft, wo sie erneut gedeckt wird. Etwa sieben Mal im Verlauf von drei Jahren kann eine Muttersau gedeckt werden, sie bringt in dieser Zeit gegen 100 Ferkel zur Welt.
Da der Schweinebauer wegen der kranken Tiere nicht mehr gleich viele Muttersauen verkaufen konnte, erlitt er einen Einkommensausfall. Er beschuldigt nun die Schweinevermarktungsgesellschaft, diese habe die vertraglich zugesicherte Ausmerzung kranker und alter Tiere nicht konsequent erledigt. Daher sei ihm im Jahr 2015 ein Schaden im Umfang von knapp 135’000 Franken entstanden. «Laut dem Vertrag durfte mein Mandat pro Woche 30 trächtige Muttersauen liefern. Erst durch die mangelhafte Ausmerzung, also eine Vertragsverletzung, kam es zu den Einbussen», sagt der Anwalt des Klägers.
Die Klägerseite vermutet, dass die Abferkelbetriebe Druck auf den AFP-Ringleiter ausübten und dieser daher nicht konsequent ausmerzte, lieber also eine zu alte oder kranke Sau nochmals an den Deckbetrieb verkaufte.
«Mein Mandant ist also nichts anderes als die Marionette des Ringleiters.»
In Zahlen habe sein Mandant statt der Vertraglich zugesicherten 1325 Muttersauen in jenem Jahr nur 872 verkaufen können, was zum Schaden führte.
Von all dem will die Beklagte nichts wissen. «Wir fordern, das Begehren vollumfänglich abzuweisen», sagt der Anwalt der Schweinevermarktungsgesellschaft. «Bis heute hat der Kläger keine Beweise erbracht für seine Anschuldigungen, die angebliche Vertragsverletzung, den Schaden und den Kausalzusammenhang zwischen Vertragsverletzung und Schaden.» Ihr Ringleiter sei nur für die Ausmerzung von Muttersauen zuständig, die nicht mehr den Anforderungen genügten, nicht aber für das Ausmerzen von kranken Sauen – dafür sei der Kläger selber zuständig.
«Er hatte daran aber kein Interesse, weil er für die Kosten hätte aufkommen müssen. Deshalb hat er auch Schweine, die zur Ausmerzung hätten abtransportiert werden sollen, wieder vom Lastwagen geholt», wirft der Anwalt der Gegenseite vor. Zudem habe es nie vertragliche Zusicherungen über Absatzzahlen gegeben. Ursache für den Ertragsausfall sei einzig der Befall seines Betriebes mit dem Erreger, für den der Schweinebauer alleine verantwortlich sei.
«Es ist erwiesen, auch durch Zeugenaussagen, dass die Stallhygiene alles andere als in Ordnung war.»
Der Vorsitzende Richter Pascal Schmid äussert sich nach den Plädoyers der beiden Parteien. «Die Frage ist hier: Wurden vertragliche Pflichten verletzt? Und dabei ist auch nicht der Wortlaut das entscheidende Kriterium, sondern was tatsächlich abgemacht wurde», sagt Schmid.
Um diesen Vertragswillen zu ergründen, müsste das Gericht Befragungen durchführen oder, sollte das kein Ergebnis bringen, den Vertrag selbst auslegen. «Die Kausalität ist dann weniger das Problem als die Schadensberechnung.» Das Gericht in Dreierbesetzung versucht dann auch, die beiden Parteien zu einem Vergleich zu motivieren. «Ich stelle hier einen Kostenteiler von 70 Prozent für die Beklagte und 30 Prozent für den Kläger in den Raum», sagt Schmid und gibt den Parteien Zeit, über diesen Vorschlag zu beraten.
Die Beklagte wäre bereit, nach Teilen der Gerichtskosten, einmalig 25'000 Franken an den Bauern zu bezahlen. Darauf antwortet der Kläger-Anwalt: «Es muss sicher ein sechsstelliger Betrag sein, sonst finden wir uns nicht.» Somit kommt es nicht zum Vergleich und der Prozess wird in den kommenden Monaten weitergeführt. «Wir werden nun also als Erstes den Vertragsinhalt prüfen», sagt Pascal Schmid und schliesst die Verhandlung.