Bildhauer
Kunstwerk statt Cheminée-Tod: Thomas Stadler schafft duftende Skulpturen

Der Künstler aus Sommeri verarbeitet derzeit den Stamm einer einst mächtigen Romanshorner Zeder.

Andreas von Bergen
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Thomas Stadler arbeitet an einer neuen Skulptur aus der Romanshorner Zeder.

Thomas Stadler arbeitet an einer neuen Skulptur aus der Romanshorner Zeder.

Bild: Andreas von Bergen

Es war ein starker, aber angenehmer Duft, der Thomas Stadler in die Nase stieg, als er vor drei Jahren mit dem Velo am Rand des Romanshorner Waldes entlang fuhr. Es war eine Zeder, einst in einem privaten Park in Romanshorn, die einer Gartenerneuerung zum Opfer fiel und nun auf ihr Schicksal wartete, zu Brennholz zerkleinert zu werden.

Doch Holzbildhauer Stadler sah sofort das Potenzial des 14 Meter langen Stamms, rettete ihn vor dem Cheminée-Ofen und liess ihn in drei bis dreieinhalb Meter langen Stücken für 300 Franken in sein Künstleratelier nach Sommeri transportieren. Für den Stamm selbst musste Stadler nur den Wert des Brennholzes bezahlen.

Das Holz der Zeder ist schwierig zu bearbeiten

Daraus sind in monatelanger Arbeit mehrere grosse «duftende» Holzskulpturen entstanden, die man ringsum drehen und kippen kann. Daraus ergeben sich verschiedene interessante Durchblicke. Der Leerraum ist ihm wichtig – ihn modelliert er gewissermassen.

Dieselbe Skulptur wie oben, einfach eine andere Perspektive.

Dieselbe Skulptur wie oben, einfach eine andere Perspektive.

Bild: Andreas von Bergen

Seit rund 40 Jahren arbeitet Thomas Stadler mit verschiedenen einheimischen Holzarten wie Eiche, Kirsche, Birnbaum oder Ulme. Die duftende Zeder kam erst später hinzu, doch deren Holz ist schwierig zu bearbeiten, da es viel Harz enthält und die Werkzeuge verklebt.

Sein Atelier war der Güttinger Wald

Da er nach seinem Umzug 1991 nach Sommeri noch kein eigenes Atelier hatte, arbeitete Stadler die ersten fünf Jahre im Güttinger Wald. Später draussen in der Umgebung seines Wohnhauses. Seit einigen Monaten arbeitet er nun mit Elektro- und Handwerkzeugen an seinen Objekten unter einem Vordach im Freien neben seinem Haus. An einer grossen Skulptur arbeitet er in Tagesetappen von drei bis vier Stunden, oft während drei bis vier Monaten. In den rund 40 Schaffensjahren hat Thomas Stadler weit mehr als hundert Holzskulpturen in verschiedenen Grössen und Holzarten sowie Kunst am Bau gefertigt.

Die meisten Skulpturen sind 50 bis 60 Zentimeter hoch, die grössten Skulpturen von Menschen jedoch über zwei Meter. Die Baumstämme kauft er von Förstern und Landwirten und lässt sie nach Sommeri transportieren. Von der Arbeit mit der Motorsäge und später mit Schnitzlerwerkzeugen bis zur fertigen Skulptur dreht Thomas Stadler das Objekt an jedem Arbeitstag mehrmals, um von allen Seiten spezielle Ansichten und Durchblicke zu schaffen.

Ausstellungen und Arbeiten im öffentlichen Raum

Breites Schaffen

Im November/Dezember 2016 stellte Thomas Stadler 40 Skulpturen im ehemaligen Romanshorner Schuhgeschäft Haberer aus, und im November 2019 folgte eine Ausstellung mit rund 20 Holzobjekten in vier Räumen der Überbauung Weitenzelg, ebenfalls in Romanshorn. Öffentliche Arbeiten des Künstlers im öffentlichen Raum findet man in der Region, etwa die grosse Eichenskulptur «Schlupf» für den Neubau des Kindergartens Mühlebach in Amriswil. Eine weitere Skulptur steht leihweise im Villa-Garten an der Bahnhofstrasse 20, ebenfalls in Amriswil. Die letzte «Waldarbeit» war 1995 die drei Meter hohe Eichenskulptur «Hoorä mache» in der Form eines riesigen Kuhhorns. Als Kunstaktion wurde die Skulptur im Jahr 1996 auf dem Bundesplatz in Bern präsentiert und als Geschenk der Alpenschutzinitiative in Silenen übergeben. (avb)

Die Skulptur «Schlupf» steht im Kindergarten Mühlebach.

Die Skulptur «Schlupf» steht im Kindergarten Mühlebach.

Bild: PD