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Ostschweiz
Arbon, Kreuzlingen, Weinfelden
Sie wuchs bei Pflegeeltern im Tirol auf, setzte in Baselland Uhren zusammen, führte in Arbon ein Kino und betrieb in der gleichen Stadt bis ins hohe Alter eine Pension. Im Rahmen einer Sommerserie erzählt Herta Strüby ihre Geschichte.
Ich bin ein Kriegskind und ein lediges Mädchen. Ich kam am 30. Juli 1931 in Innsbruck zur Welt und bin auf einem Berg bei den Edelweiss aufgewachsen. Allerdings nicht bei meinen Eltern. Meine Mutter gab mich wie meinen Bruder weg, weil sie alleine war und Geld verdienen musste. Um meinen Bruder kümmerten sich die Grosseltern, ich kam als ganz kleines Kind zu netten Bauersleuten, die Kühe, Kälbli, Geissen, Hühner und Ackerland hatten. Es gab immer Arbeit für mich. Wenn im Winter Zeit war, fuhren wir Ski oder gingen schlitteln. Manchmal nahmen mich der Bauer und seine Frau mit zu meiner Mutter.
Vom Zweiten Weltkrieg haben wir nicht viel gemerkt, ausser dass die jungen Männer einrücken mussten. Einer sagte mir zum Abschied, wenn ich zurückkomme, dann heirate ich die Herta. Er kam aber nicht zurück. Ich musste in dieser Zeit anpacken, wie alle in meinem Alter. Niemand fragte einem, ob man wolle. Trotzdem hatte ich eine schöne Jugend.
Als ich 16 Jahre alt war, ging ich in die Welt hinaus. Bei einem Viehhändler in Eschlikon fand ich eine Stelle als Haushälterin. Es war nicht so gut dort. Nach zwei Jahren ging ich weg. Wohin, weiss ich auch nicht mehr. Ich erinnere mich nicht mehr an alles. Später setzte ich in einer Fabrik in Sissach im Kanton Basel-Landschaft Uhren zusammen. Ich machte die Arbeit gerne. Sie war sauber und auch recht bezahlt.
Gewohnt habe ich in Thürnen, wo ich meinen Mann kennen lernte. Er hatte einen Coiffeursalon, schnitt mir aber die Haare nicht. Die Herta, die zahlt mich nicht, hat er gesagt. Leider starb er früh. Mein zweiter Mann, der Stäheli, führte ein Kino in Gelterkinden. Wir kauften dann das neue «Capitol» in Arbon und zogen an den Bodensee in eine nagelneue Vierzimmerwohnung beim Kino. Es lief ein paar Jahre gut, dann kam die Krise in der Branche. Wir verkauften das Kino darum später.
Es war eine schöne, aber auch eine strenge Zeit. Wir zeigten um 20 Uhr einen Film und dann einen zweiten um 22 Uhr, bei der niemand mit dem Namen angesprochen werden wollte. Wir sagten den Besuchern nur Grüezi und Adieu, denn es liefen Filme, die nicht jugendfrei waren. Manchmal drückte ich ein Auge zu, wenn einer noch nicht 18 Jahre alt war. Während der Vorführungen strickte ich oft Gobelin.
Nachher arbeitete ich in einem Hotel. Ich machte dort alles, was es zu tun gab. 1987 eröffnete ich die Pension Garni Sonnenhof in Arbon, die ich bis vor vier Jahren geführt habe. Ich hatte Besucher aus der ganzen Welt und liebte meine Arbeit. Manche Gäste kamen Jahr für Jahr und wurden zu guten Bekannten. Ich bin bis zum Schluss früh aufgestanden und habe den Pensionären Frühstück gemacht.
Auch sonst blieb ich in Bewegung. Der Computer war mir ein wichtiges Hilfsmittel im Betrieb. Die Buchhaltung machte ich selber – der Treuhänder prüfte sie nur. Den Führerschein gab ich erst mit 82 ab.
Mein Mann, der Stäheli, ist schon lange gestorben, und Kinder habe ich nicht. Wir hatten es gut zusammen. Viel Freizeit gab es zwar nicht. Man hatte ja auch noch den Haushalt zu machen. Wir fuhren aber oft nach Madeira in die Ferien. Das ist eine schöne Erinnerung, aber nur in meinem Kopf. Fotos oder anderes aus meinem Leben habe ich nicht. Als ich die Pension aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste, kam fast alles weg. Auch die Alben mit Bildern.
Ich habe nicht viele Bekannte. Ich hatte aber immer nette Menschen um mich, mehr habe ich nicht gebraucht. Sie kommen mich noch heute besuchen. Seit vier Jahren lebe ich im Pflegeheim Seevida im Haus Alma. Hier habe ich es recht. Man ist gut aufgehoben. Man verkehrt nicht viel miteinander. Wir jassen manchmal. Ich nehme aber wenn immer möglich teil an den Aktivitäten. Man kann aber auch für sich sein, das ist schön. Ins Tirol wollte ich nie zurück. Es war niemand mehr dort, den ich kenne.