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In den Playoffs lief einiges gegen den HC Thurgau, doch das Aus in den Viertelfinals ist in erster Linie hausgemacht.
Der HC Thurgau hatte einiges zu lamentieren im diesjährigen Playoff. Im zweiten Viertelfinalspiel wurde Niki Altorfer vom Visper Marc Steiner kaputtgecheckt. Für Thurgaus Stürmer-Routinier war damit das Playoff zu Ende, bevor es richtig angefangen hatte. Während Altorfer auf dem Operationstisch lag, kam der Verletzungsverursacher ungeschoren davon, musste zur Strafe nicht einmal ein Spiel pausieren. Für den HCT aber war Altorfers Out ein herber Verlust. Nicht nur, weil der 29-Jährige hinter Melvin Merola und noch vor den Kanadiern Connor und Kellen Jones der zweitbeste Skorer des Teams war. Altorfer war gar die Nummer eins der regelmässig eingesetzten Spieler, was die Punkte-pro-Spiel-Ausbeute betrifft. So etwas steckt eine Mannschaft wie der HC Thurgau, die sich ohnehin schwer damit tut, Tore zu erzielen, nicht einfach weg.
Der Gipfel war das gestohlene Tor in Spiel drei in Visp. Das 2:0 durch Andri Spiller, das die Partie in der 35. Minute vermutlich vorentschieden hätte, wurde von den Schiedsrichtern aberkannt, nachdem sie zunächst auf Tor entschieden hatten. Dass die Spielleiter auf den Videobildern mit der Goaliebehinderung von Frantisek Rehak ein Phantom sahen, wurde später auch von Verbandsvertretern bestätigt. Alleine, dass die Referees die Videobilder in Anspruch nahmen, obwohl kein Mensch reklamiert hatte, war schon nicht nachvollziehbar. Im nächsten Spiel in Weinfelden leiteten deswegen andere Schiedsrichter die Partie. Da war Thurgaus Niederlage in der zweiten Verlängerung aber bereits Tatsache, die Break-Chance passé.
Selbstredend war Thurgaus Playoff-Aus in den Viertelfinals in erster Linie hausgemacht. Mit durchschnittlich 1,4 Toren pro Spiel und einem Ausländerduo, das in der ligaweiten Skorerwertung schon die ganze Saison unter ferner lief, hat man in der Swiss League per se schlechte Karten. Wenn dann in entscheidenden Momenten auch noch der Goalie danebengreift, ist das Unheil im Playoff kaum mehr abzuwenden. Es fehlte dem HC Thurgau heuer allgemein an der Unterstützung durch die vermeintlichen Leader im Team – so wie es zum Beispiel Michael Loosli oder Patrick Brändli im vergangenen Jahr taten.
Bemerkenswert ist, wie äusserlich gelassen die Thurgauer das Verdikt im diesjährigen Playoff hinnahmen. Das zeugt einerseits von Bescheidenheit, die ein Club wie der HC Thurgau innerhalb der Schweizer Eishockey-Elite auch haben muss. Denn wirtschaftet man mit den beschränkten finanziellen und infrastrukturellen Mitteln der Thurgauer, liegt im ligaweiten Vergleich eigentlich gar nicht mehr drin als ein Playoff-Viertelfinal. Ausser, die Mannschaft wächst über sich hinaus wie im Vorjahr gegen Ajoie.
Andererseits darf die emotionsarme Reaktion auf das frühe Saisonende nicht die Folge von Genügsamkeit sein. Schliesslich hat man ja im Jahr zuvor mit der Halbfinal-Qualifikation das beste Ergebnis seit 21 Jahren eingespielt. Doch gerade deshalb kann das Viertelfinal-Aus 2020 nicht nur mit einem simplen «jä nu», einem Schulterzucken und etwas Galgenhumor quittiert werden. Die mit 1:4 letztlich deutlich verlorene Best-of-Seven-Serie gegen etwa gleich starke Walliser muss zu denken geben und muss Anstoss für Verbesserungen sein. Ansonsten verschwindet der HC Thurgau schneller, als ihm lieb ist, wieder aus den vorderen Rängen der Swiss League.
Das Publikum, die Sponsoren, ja das ganze Umfeld des HCT hat mit dem Erfolg im Vorjahr Blut geleckt. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Leuen in der zweithöchsten Liga wie graue Mäuse einfach mitspielten und auf einen Ausschlag gegen oben, sprich die Playoff-Teilnahme, hofften. Der HC Thurgau kann dank herausragender Arbeit über die vergangenen Jahre wieder Ambitionen haben. Er muss sich die Halbfinals zum Ziel nehmen, wenn er weiter Fortschritte erzielen will. Das ist zum einen der Verdienst des fünfköpfigen Verwaltungsrats mit Präsident Hansjörg Stahel und Vize Max Hinterberger, der den HCT während vier Jahren nicht nur erstaunlich stabil auf Kurs gehalten, sondern ihn gar in eine neue Sphäre katapultiert hat. Im Hinblick auf die bereits vollzogene Vergrösserung des Gremiums haben die teils abtretenden Verwaltungsräte grosse Leuentatzen hinterlassen, in die der neue, grössere VR treten muss.
Die zuversichtliche Stimmung rund um den Club fusst aber auch in der akribischen Arbeit an der Bande. Der ursprüngliche Notnagel Stephan Mair entpuppte sich als absoluter Glücksfall für den HC Thurgau – und umgekehrt. In seinen bislang vier Jahren in Weinfelden brachte der heute 52-jährige Südtiroler die Mannschaft Schritt für Schritt weiter und machte aus dem HCT wieder eine respektierte Adresse. Mit dem Assistenten Beni Winkler bildet Mair eines der erfolgreichsten Trainerduos der Swiss League. Das ist möglich, weil das Duo von der Clubführung die nötige Ruhe und Freiheit bekommt. Aus diesem Grund ist auch der HCT ein Glücksfall für Mair. Hier kann sich der Italiener verwirklichen und sich weitherum einen Namen machen.
Die wichtigsten Lehren, die aus dem Playoff-Out gegen Visp gezogen werden müssen, scheinen eindeutig. Die Vertragsverlängerung mit dem Trainerduo Mair/Winkler ist essenziell, um den positiven Trend weiterzuführen. Der neu zusammengesetzte Verwaltungsrat darf sich um des Clubfriedens willen nicht zerfleischen. Und die Mannschaft könnte den einen oder anderen Leadertypen mehr vertragen. Nicht zuletzt braucht der HCT für nächste Saison wieder ein Ausländerduo, das der Mannschaft mehr hilft, als es Connor und Kellen Jones konnten. In Thurgaus Preisklasse aber zwei spielbestimmende, hochproduktive Ausländer zu finden, ist nicht selbstverständlich – wie auch der Einzug des HCT in die Playoff-Halbfinals. Für die Fans, die Sponsoren und das ganze Umfeld heisst das, dass man sich auch an den kleinen Erfolgen während der Saison erfreuen soll. Etwa, wenn der HCT wie in diesem Winter zwischenzeitlich ganz vorne an der Spitze der Swiss League mitspielt.