Analyse
Urs Martin – ein Regierungsrat auf Bewährung

Wird Urs Martin die Politik positiv aufmischen? Eine Analyse zur Thurgauer Regierungsratswahl.

Christian Kamm
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Geschafft: Urs Martin zieht in die Thurgauer Regierung ein mit 864 Stimmen Vorsprung auf Ueli Fisch.

Geschafft: Urs Martin zieht in die Thurgauer Regierung ein mit 864 Stimmen Vorsprung auf Ueli Fisch.

Reto Martin

Der neue Thurgauer Regierungsrat Urs Martin ist ein Mann der knappen Wahlresultate. Schon an der SVP-Nominierungsversammlung im vergangenen November lieferte er sich mit seinem parteiinternen Konkurrenten Urs Schrepfer ein Fotofinish. Schliesslich konnte sich Martin mit 115 gegen 108 Stimmen hauchdünn durchsetzen.

Ganz so knapp wurde es an diesem Wahlsonntag nicht. Aber angesichts der viel grösseren Stimmenzahlen sind auch die wenigen Hundert Stimmen Vorsprung, die Urs Martin schliesslich vor Herausforderer Ueli Fisch von den Grünliberalen ins Ziel retten konnte, ein Hitchcock-Finale. Ganze 864 Stimmen fehlten zur Sensation. Und das wäre es ohne Zweifel gewesen, wenn sich der Regierungsratskandidat der mit Abstand mächtigsten Thurgauer Partei dem unermüdlichen Kämpfer einer Kleinpartei hätte beugen müssen.

Das sind die 130 Neugewählten im Thurgauer Grossen Rat:

Martin Salvisberg, SVP, bisher
130 Bilder
Stephan Tobler, SVP, bisher
Melanie Zellweger, SVP, neu (rückt für den in den Regierungsrat gewählten Urs Martin nach, sofern sie die Wahl annimmt)
Egon Scherrer, SVP, bisher
Walter Knöpfli, SVP, bisher
Jürg Wiesli, SVP, bisher
Josef Arnold, SVP, bisher
Konrad Brühwiler, SVP, bisher
Ralph Wattinger, SVP, neu
Daniel Vetterli, SVP, bisher
Andreas Wirth, SVP, bisher
Mathias Tschanen, SVP, bisher
Hermann Lei, SVP, bisher
Paul Koch, SVP, bisher
Robert Zahnd, SVP, bisher
René Gubler, SVP, bisher
Gottfried Möckli, SVP, bisher
Roger Forrer, SVP, neu
Eveline Bachmann, SVP, neu
Severine Hänni, SVP, neu
Petra Kuhn, SVP, bisher
Aline Indergand, SVP, bisher
Judith Ricklin, SVP, bisher
Urs Schär, SVP, bisher
Denise Neuweiler, SVP, neu
Martin Stuber, SVP, bisher
Jürgen Häberli, SVP, bisher
Thomas Thalmann, SVP, bisher
Kurt Baumann, SVP, bisher
Urs Schrepfer, SVP, bisher
Stefan Mühlemann, SVP, neu
Ruedi Bartel, SVP, bisher
David Zimmermann, SVP, bisher
Cornel Inauen, SVP, bisher
Vico Zahnd, SVP, bisher
Willy Nägeli, SVP, bisher
Pascal Schmid, SVP, bisher
Ruedi Zbinden, SVP, bisher
Hans Eschenmoser, SVP, bisher
Isabelle Altwegg, SVP, bisher
Andreas Zuber, SVP, bisher
Max Brunner, SVP, bisher
Hans Stark, SVP, bisher
Maja Brühlmann Zwahlen, SVP, neu
Heinz Keller, SVP, neu
Oliver Martin, SVP, neu
Daniel Eugster, FDP, bisher
Gabriel Macedo, FDP, neu
Viktor Gschwend, FDP, bisher
Brigitte Kaufmann, FDP, bisher
Anders Stokholm, FDP, bisher
Kristiane Vietze, FDP, bisher
Jörg Schläpfer, FDP, bisher
Ruth Kern-Brüschweiler, FDP, bisher
Martina Pfiffner-Müller, FDP, neu
Cornelia Zecchinel, FDP, bisher
René Walther, FDP, bisher
Beat Rüedi, FDP, bisher
Beat Pretali, FDP, bisher
Cornelia Hasler-Roost, FDP, bisher
Bruno Lüscher, FDP, bisher
Max Vögeli, FDP, bisher
Heidi Grau-Lanz, FDP, bisher
Andreas Opprecht, FDP, bisher
Dominik Diezi, CVP, bisher
Norbert Senn, CVP, bisher
Käthi Zürcher-Eberle, CVP, bisher
Jürg Marolf, CVP, neu
Maja Bodenmann, CVP, bisher
Katharina Bünter-Hager, CVP, bisher
Christoph Regli, CVP, bisher
Hans Feuz, CVP, bisher
Marianne Raschle, CVP, bisher
Alex Frei , CVP, bisher
Josef Gemperle, CVP, bisher
Sabina Peter Köstli, CVP, bisher
Gallus Müller, CVP, bisher
Peter Bühler, CVP, bisher
Franz Eugster, CVP, bisher
Simon Wolfer, CVP, bisher
Corinna Pasche-Strasser, CVP, bisher
Petra Merz-Helg, CVP, neu
Didi Feuerle, Grüne, bisher
Sandra Reinhart, Grüne, neu
Karin Bétrisey, Grüne, bisher
Gina Rüetschi, Grüne, bisher
Mathis Müller, Grüne, bisher
Simon Vogel, Grüne, neu
Simon Weilenmann, Grüne, neu
Peter Dransfeld, Grüne, bisher
Brigitta Engeli, Grüne, bisher
Jost Rüegg, Grüne, bisher
Toni Kappeler, Grüne, bisher
Beni Braun, Grüne, bisher
Isabelle Vonlanthen-Specker, Grüne, neu
Brigitta Hartmann, Grüne, bisher
Cornelia Hauser, Grüne, neu
Marina Bruggmann, SP, bisher
Jakob Auer, SP, bisher
Martin Nafzger, SP, bisher
Alban Imeri, SP, bisher
Marianne Sax, SP, bisher
Barbara Dätwyler, SP, bisher
Christine Steiger, SP, bisher
Christian Koch, SP, bisher
Nina Schläfli, SP, bisher
Edith Wohlfender-Oertig, SP, bisher
Elina Müller, SP, bisher
Barbara Müller, SP, bisher
Turi Schallenberg, SP, bisher
Sonja Wiesmann, SP, bisher
Hanspeter Heeb, GLP, bisher
Stefan Leuthold, GLP, bisher
Nicole Zeitner, GLP, neu
Christina Pagnoncini, GLP, bisher
Reto Ammann, GLP, bisher
Robert Meyer, GLP, bisher
Ueli Fisch, GLP, bisher
Jorim Schäfer, GLP, neu
Doris Günter, EVP, bisher
Elisabeth Rickenbach, EVP, bisher
Roland Wyss, EVP, bisher
Rudolf Bär, EVP, bisher
Mathias Dietz, EVP, neu
Hansjörg Haller, EVP, bisher
Daniel Frischknecht, EDU, bisher
Christian Mader, EDU, bisher
Iwan Wüst, EDU, bisher
Peter Schenk, EDU, bisher
Lukas Madörin, EDU, bisher

Martin Salvisberg, SVP, bisher

Bild: PD

So oder so: Diese Wahl wird in die Geschichtsbücher eingehen. Denn Ausmarchungen um Thurgauer Regierungssitze hatten in den letzten Jahrzehnten in der Regel so wenig mit Hitchcock zu tun wie ein Roman von Rosamunde Pilcher. Die drei neuen Kandidaten – Urs Martin, Ueli Fisch und die Grüne Karin Bétrisey – machten aus einer oft als Inthronisierung verlaufenden Regierungsratswahl eine echte Wahl. Mit allem, was dazu gehört. Dazu gehören muss.

Ihren Anteil beigesteuert hat aber auch die SVP selbst. Sie wählte mit Kandidat Urs Martin das Risiko. Und hat nun tatsächlich Nervenkitzel geerntet. (Ob das parteiinterne Drehbuch das tatsächlich so vorgesehen hat, sei einmal dahingestellt.) Aber die SVP-Delegierten mussten sich bewusst sein, dass ihr Kandidat ausserhalb der eigenen Partei kein Selbstläufer sein wird. So sehr Urs Martin innerhalb der SVP für die von der nationalen Partei geprägte Zukunft steht, für den Politikstil, wie ihn der SVP-Übervater einer ganzen Generation von Parteigängern eingeimpft hat, so schwer vermittelbar ist dieses Politikmodell im eher auf Ausgleich ausgelegten Thurgau. Und dieser steht, wie das Wahlergebnis vom Sonntag zeigt, auch bei den Wählerinnen und Wählern weiterhin hoch im Kurs. In die Thurgauer Regierung wird niemand um des Streites willen gewählt. Sondern um hartnäckig, aber konziliant und mit viel Fingerspitzengefühl den grössten gemeinsamen Nenner herauszudestillieren.

Jetzt muss auch Urs Martin zeigen, dass er das kann. Macht er dort weiter, wo er im Wahlkampf aufgehört hat, dann könnte der Thurgau noch viel Freude am jüngsten Transfer in die Kantonsregierung haben. Dann wird er einen jung-dynamischen Politiker erleben, welcher der oft etwas verschnarchten Thurgauer Politik nur guttun kann. Dann wird Martin den Kanton in positivem Sinne aufmischen. Er wird für Transparenz sorgen, wo im Regierungsgebäude bis anhin notorisch der Deckel drauf gehalten wird, und dabei auf seine unbestrittene Stärke setzen: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation.

Gelingt Martin diese Selbstdomestizierung, die er im Wahlkampf so mustergültig vorgelebt hat, auf Dauer aber nicht, wird es in absehbarer Zeit mächtig krachen im Regierungsgebälk. Denn auf die brachiale Brillanz eines Einzelkämpfers, der jeden vor den Kopf stossen würde, der sich ihm in den Weg stellte, wäre dieses Kollegium überhaupt nicht vorbereitet. In diesem Fall könnte dann nur noch eines helfen – die nächsten Wahlen.