Überfälle auf Drogendealer: Ein Secondo muss die Schweiz verlassen

Ein in der Schweiz geborener Türke verliert sein Aufenthaltsrecht. Der Kreuzlinger ist zwar gemäss Bundesgericht sehr gut integriert. Doch mit Raubüberfällen auf Marihuana-Dealer verbaute er sich seine Zukunft.

Silvan Meile
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Ein Türke raubte Marihuana-Dealer aus. Dafür bezahlt er nun mit seiner Niederlassungsbewilligung. (Bild: Key/Gaetan Bally)

Ein Türke raubte Marihuana-Dealer aus. Dafür bezahlt er nun mit seiner Niederlassungsbewilligung. (Bild: Key/Gaetan Bally)

Die Masche ist immer dieselbe. Mit Kollegen sucht der damals 20-Jährige verschiedene Marihuana-Dealer auf. Sie geben vor, Gras kaufen zu wollen, beabsichtigen aber nicht, für die Drogen zu bezahlen. Mal mit einem Messer, mal mit einem Elektroschockgerät bedrohen sie die Drogenhändler. So raubt die Gruppe im Raum Kreuzlingen und Wil mehrere Männer aus, nimmt ihnen Drogen und Geld ab. Sie glauben, vor Strafverfolgung sicher zu sein, weil sich ihre Opfer ebenfalls in der Illegalität bewegen. Läuft es nicht nach Plan, werden sie handgreiflich. Bei ihrem gewinnbringendsten von einem halben Dutzend Raubüberfällen machen sich die jungen Männer gemäss Gerichtsunterlagen mit 150 Gramm Marihuana und 15 000 Franken Bargeld aus dem Staub.

Haftstrafe akzeptiert, nicht aber die Wegweisung

Seine ergaunerten Drogen muss der heute 26 Jahre alte Kreuzlinger mit türkischem Pass nun teuer bezahlen. Er verliert die Niederlassungsbewilligung für das Land, in dem er geboren wurde und seit jeher wohnt. Zwar verübte er seine Straftaten in den Jahren 2012 und 2013, also vor der Inkraftsetzung der SVP-Ausschaffungsinitiative. Dennoch wird er des Landes verwiesen. Denn das Thurgauer Migrationsamt widerrief dem Secondo die Aufenthaltserlaubnis. Zuvor verurteilte ihn das Bezirksgericht Kreuzlingen unter anderem wegen Raubs, versuchten Raubs und Nötigung zu zweieinhalb Jahren Hafte – sechs Monate davon unbedingt. Diese Strafe hat der Türke akzeptiert. Er zeigte sich geständig, zog das Urteil nicht weiter. Nach altem Recht wurde aber bei einer rechtskräftigen Verurteilung eines Ausländers zu mehr als einem Jahr noch das Migrationsamt eingeschaltet. Gegen den dort beschlossenen Widerruf der Niederlassungsbewilligung kämpfte der Türke, der noch bei seiner Mutter wohnt, bis vor Bundesgericht. Doch er blitzte ab, wie aus dem kürzlich publizierten Urteil hervorgeht. Die drei zuständigen Bundesrichter (SVP, CVP und GLP) wägten die Verhältnismässigkeit ab – und sie zeigten keine Gnade.

Mit 16 Jahren die Einbürgerung verbockt

Der Türke hat hier die Schule gemacht und später die Lehre als Produktionsmechaniker abgeschlossen. «Seine berufliche Integration ist sehr gut», heisst es im Entscheid des Bundesgerichts. «Er war immer erwerbstätig», wird ihm positiv angerechnet. Und die Richter halten fest, dass die Niederlassungsbewilligung einer ausländischen Person, die hier geboren wurde und ihr ganzes bisheriges Leben im Land verbrachte, «nur mit besonderer Zurückhaltung» und bei schwerer Straffälligkeit widerrufen werden soll.

Doch die Richter führen auch auf, dass der Mann nur wenige Monate nach seiner Verurteilung erneut gegen das Betäubungsmittelgesetz verstiess, wenn auch nur in Form einer Übertretung. «Er hat offensichtlich den Ernst der Lage verkannt.» Hinzu kamen weitere Verstösse, etwa gegen das Waffengesetz. «In Verbindung mit den schweren Delikten, welche zur Freiheitsstrafe von 30 Monaten führten, ergibt sich das Bild einer über Jahre dauernden Straffälligkeit.»

Das trübt das Bild für die Richter zu sehr, als dass sie den Entscheid des Thurgauer Migrationsamt hätten umgestossen wollen. «Mit seiner Ausbildung dürfte es ihm in der Türkei nicht allzu übermässig schwer fallen, eine neue Existenz aufzubauen», heisst es dann im Urteil weiter-, auch wenn der Mann angibt, kaum Türkisch zu sprechen. Auch vom Schweizer Staats- und Gemeindewesen hatte er einst kaum Kenntnis. Weil er über die örtlichen, kantonalen und schweizerischen Verhältnisse zu wenig informiert war, scheiterte sein Einbürgerungsversuch, als er 16 Jahre alt war.