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«Wir müssen uns verschulden»: Wie die Coronakrise auch die Bodensee-Schifffahrt trifft – und weshalb das Unternehmen trotzdem fünf Millionen Franken investiert.
Eigentlich stimmt alles: das Wetter warm, die Sonne strahlend, die Flotte fahrtüchtig. Eigentlich sollten heute die ersten Kursschiffe der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrt AG (SBS) zwischen Romanshorn und Meersburg oder Rorschach und Lindau fahren. Eigentlich. Wäre da nicht ein Spielverderber namens Coronavirus.
Dieses macht der SBS im wahrsten Sinne des Wortes einen Strich durch die Rechnung. Einen dicken Strich, der rund zwei Millionen Franken kosten wird. Mit einem solchen Rückgang im Cashflow bis Ende Juni, also der betriebswirtschaftlichen Zahl, die Einnahmen und Ausgaben über einen bestimmten Zeitraum gegeneinander aufwiegt, rechnet jedenfalls Hermann Hess, SBS-Verwaltungsratspräsident – unter Berücksichtigung von kurzfristigen Einsparungen. Bei einem totalen Cashflow von zweieinhalb Millionen Franken pro Jahr ein beträchtlicher Anteil. Hess sagt:
«Eigentlich wäre jetzt bis Ende Juni unsere beste Zeit. Auch wenn das zweite Halbjahr gut laufen sollte: Aufholen können wir den Rückgang niemals.»
Er erwartet für 2020 nur noch einen Cashflow von rund einer halben Million.
Ausflugspassagiere, Fähreinnahmen, Gastronomie – verschiedene Einnahmequellen fallen derzeit weg. Die SBS nimmt nur noch rund 10 Prozent der üblichen Summe ein. Einzig durch die Vermietung von Bootstellplätzen fliesst noch etwas Geld auf die SBS-Konten.
Doch das ausbleibende Frühjahrsgeschäft ist nicht das einzige Problem. Denn gleichzeitig läuft eine Investition von rund fünf Millionen Franken. Die SBS renoviert ihr Flaggschiff: Die MS St. Gallen, mit einer Kapazität für 650 Passagiere das grösste Schiff der Flotte. Neue Motoren, Neuausstattung, Generalüberholung. Das Schiff hat die Werft bereits verlassen. Jetzt folgen Motorentests. Und dann das Abwarten auf das Ende der Krise.
«Das Virus kam für uns zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt», sagt Hess. Das letzte Jahr habe man kaum Investitionen getätigt, um die grosse Investition für die MS St. Gallen zu stemmen. Bringt das Coronavirus die SBS gar zum Kentern? Nein, meint der Alt-Nationalrat.
«Aber wir müssen uns verschulden.»
Das Unternehmen hat bei der Thurgauer Kantonalbank einen Kredit von zwei Millionen Franken aufgenommen. Und die Geschäftsführung setzt wie viele Firmen auf Kurzarbeit. Von den 105 Mitarbeitenden arbeiten derzeit hauptsächlich die Nautiker oder Technikerinnen in der Werft im vollen Pensum.
Die Renovation ist für Hess aber auch eine frohe Botschaft. «Wir glauben an die Zukunft. Deshalb investieren wir weiterhin.» Er sagt aber auch: «Wir müssen so schnell wie möglich zurück zur Normalität – sobald dies vertretbar ist.» Er stimmt damit in den Tenor der Wirtschaftsverbände ein. 19 Branchenvertreter forderten diese Woche in einem Brief an den Bundesrat eine baldige Lockerung des Notstandes. «Wir gehen davon aus, dass sich die Landesregierung bereits jetzt mit der konkreten Planung für die Rückkehr zur Normalität nach dem 19. April befasst», zitiert der «Tages-Anzeiger».
Auch Hess hofft, dass die Massnahmen so rasch wie vertretbar gelockert werden können. Damit die MS St. Gallen bald volle Fahrt aufnehmen kann. «Und alle anderen auch.»
Der Saisonstart vom 10. April ist längst verschoben. Laut Anweisungen des Bundesamtes für Verkehr (BAV) steht auch die Flotte der Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein (URh) bis und mit Sonntag, 26. April, still. «Wenn sich die Lage beruhigt, nehmen wir unseren Kursfahrplan am 30.April auf», sagt URh-Geschäftsführer Remo Rey. Wie viele andere Unternehmen schweizweit meldet auch die URh für ihre Mitarbeiter Kurzarbeit an. «Im Gegensatz zu vielen anderen Firmen trifft uns die Coronakrise bisher erst in der Saisonvorbereitung», sagt Rey und spricht von glimpflichen Auswirkungen, auch auf die Finanzlage. Nebst der angemeldeten Kurzarbeit ist die URh im organisatorischen Bereich betroffen. Die per Ende Mai geplante Generalversammlung in Stein am Rhein verschiebt sich in den September. Die Flottensternfahrt aller Mitglieder der Vereinigten Schifffahrtsunternehmen Bodensee und Rhein (VSU) vom 25. April in Überlingen fällt dagegen ganz ins Wasser. Balsam für die Auswirkungen der Coronakrise ist für die URh die Verleihung des 19.Thurgauer Tourismuspreises. «Wir sind unglaublich stolz auf diese Anerkennung», sagt Rey. (sko)