Sie kennt fast jede und jeden im Kanton: Margrith Pfister-Kübler liebt es, auch mit 78 noch als rasende Reporterin unterwegs zu sein.
Kürzlich wurden Sie ins Thurgauer «Who is Who» gewählt und gehören damit zu den 100 wichtigsten Personen im Kanton. Hat Sie das gefreut?
Margrith Pfister-Kübler: Ja sehr, ich war total überrascht als ich die Einladung öffnete. Dennoch hielt ich es für übertrieben. Meiner Meinung nach sollten junge Leute ausgezeichnet werden. Ich nehme mich auch nicht so ernst. Es war mein Glück, dass ich so viele Jahre als Journalistin arbeiten durfte und noch immer darf.
Haben Sie viele Reaktionen erhalten?
Ja. Ich habe viele und sehr herzliche Gratulationen erhalten. Das war sehr schön. Bei dem Rummel hätte ich mich dann aber am liebsten mit einem Bad im See abgekühlt.
Wie sind Sie Journalistin geworden?
Ich habe bei der Huber und Co. AG in Frauenfeld mit Kinderseiten und Modebeilagen angefangen. Dann durfte ich eine Seite für Frauen betreuen. Irgendwann wurde ich gefragt, ob ich das Ressort Frauenfeld der Thurgauer Zeitung übernehmen wolle. Da mein Sohn Ingo noch klein war, hatte ich damals stundenweise gearbeitet und konnte Familie und Beruf gut vereinbaren.
Sie arbeiten seit über 40 Jahren als Journalistin. Man hat das Gefühl, dass Sie jede und jeden im Kanton kennen.
Ja das könnte man fast meinen. Ich kenne wirklich viele Leute. Das erleichtert mir meine Arbeit. Der frühere Stadtammann von Frauenfeld, Hans Bachofner, hat mir immer gesagt, ich sei knallhart aber fair. Das hat mich gefreut.
An welche Storys können Sie sich gut erinnern?
Zum Beispiel an die Neugestaltung des Frauenfelder Bahnhofs. Die Stadt brauchte dringend einen anständigen Bahnhof und ich kommentierte immer für diesen. Einigen missfiel das. Sie sagten, ich sei Bachofner-freundlich. Doch das war meine eigene Überzeugung. Ein neuer Bahnhof war nötig. Stolz bin ich auch darauf, dass ich den Freyenmuth-Weiher im Osten von Frauenfeld gerettet habe.
Wie denn das?
Er sollte zugeschüttet werden. Auf der Traktandenliste des Stadtparlamentes war dieser Punkt so komisch formuliert, dass ich es nicht verstanden hatte. Also fragte ich beim damaligen Stadtschreiber nach. Es ging um einen Landtausch. Der Weiher hätte zugeschüttet und zu Bauland gemacht werden sollen. Da ich dies öffentlich machte, war die Mehrheit auf meiner Seite. Den Weiher gibt es noch heute und ist ein kleines Naturschutzgebiet.
Später haben Sie ins Ressort Untersee gewechselt. Weswegen?
Ich wohnte damals in Mammern und das Gebiet am See hat mich auch privat interessiert.
Woher haben Sie die Ideen und Informationen für Artikel?
Die Leute kommen zu mir und erzählen, was sie gesehen haben oder was sie beschäftigt. Früher hat mir auch mein Vater zugesteckt, was in Frauenfeld läuft. Er hat die Geschichten in der Beiz erfahren.
Sie sind auch heute noch als Korrespondentin oft unterwegs. Ist Ihnen der Journalismus noch nie verleidet?
Nein, noch nie. Ich sage mir immer: ich mache so lange weiter, wie ich Spass habe. Ich finde den Beruf des Journalisten so spannend. Man muss sich in eine Person oder eine Geschichte rein fühlen und das Gegenüber wahrnehmen. Und was mir immer wichtig ist: Man muss den Leser ernst nehmen. Er ist mündig. Deswegen muss man auch immer beide Seiten aufzeigen, damit sich der Leser seine eigene Meinung bilden kann. Ich habe auch immer sehr gerne Kommentare verfasst und lese diese in der Zeitung am liebsten.
Margrith Pfister-Kübler (78) ist grösstenteils auf der deutschen Halbinsel Höri bei ihrem Stiefvater aufgewachsen und besuchte dort das Gymnasium. Ihre Mutter war Deutsche, ihr Vater ein Aargauer, der in Frauenfeld lebte. Als junge Frau hat Pfister-Kübler die Seglerprüfung gemacht und liebt es noch heute, auf dem Wasser unterwegs zu sein. Zudem rudert sie gerne. Früher ist sie auch oft geritten. Als junge Mutter hat sie angefangen, für die «Thurgauer Zeitung» zu arbeiten und ist noch heute oft als Korrespondentin unterwegs.
Was sind Ihre aktuellen Projekte?
Ich möchte weiterhin als Korrespondentin arbeiten. Ich bin Journalistin durch und durch. Zudem arbeite ich an einem Buch über Grenzgeschichten, zu dem mich Felix Graf ermuntert hat. Als Kind lebte ich auf der deutschen Halbinsel Höri und habe von vielen Grenzgeschichten gehört. Dazu gehört zum Beispiel das Arbeiterschiff Santa Maria, das die Schichtarbeiter in die Kunstseide Steckborn und in die Bernina brachte. Dann habe ich noch ein weiteres Projekt mit dem Arbeitstitel «Rabatt auf den Tod». Dabei sammle ich schräge Dinge und Momentaufnahmen, die ich auf witzige Weise niederschreibe.
Sie beschäftigen sich mit dem Tod?
Ja. Man muss sich den Tod zu seinem Freund machen, der einem irgendwann das Licht auslöscht. Aber es würde mich grausam ärgern, wenn ich jetzt tot wäre. Das Leben ist so schön. Ich möchte noch viele Jahre leben und geniessen. Wenn mich jemand fragt, wie alt ich bin, sage ich nicht 78, sondern 80 minus zwei. Da lege ich Wert drauf. Und wenn ich dann die 80 überschritten habe, werde ich jeweils sagen: 90 minus X.
Was ist Ihr Geheimnis, um gesund zu bleiben?
Ich habe gute Gene geerbt. Es ist wichtig, auf seinen Körper zu schauen und Sport zu machen. Ich schwimme täglich. Ausser im Winter springe ich in den Untersee, sonst ins Hallenbad. Ich absolviere auch täglich meine Runde von Ermatingen nach Mannenbach über Salenstein und wieder zurück. Und was mir wichtig ist: Man muss immer positiv bleiben. Man darf sich zwar ärgern und wütend sein, doch man muss am Schluss wieder das Positive sehen.
Haben Sie ein Morgenritual?
Nach dem Aufstehen putze ich zuerst die Zähne und trinke einen Espresso. Dann nehme ich es gemütlich und gehe schwimmen.
Warum wohnen Sie in Ermatingen?
Ich suchte eine neue Bleibe, von der ich auf den See oder Rhein schauen kann. Diese Wohnung habe ich per Zufall gefunden und innerhalb einer Stunde gekauft. Ermatingen ist ein tolles Dorf mit obercoolen Leuten. Es ist auch sehr gut gelegen, man ist schnell überall.
Können Sie kochen?
Ja, sehr gut sogar. Meine Mutter war Köchin. Ich liebe es, Leute einzuladen und sie zu bekochen. Als Single ist es allerdings etwas mühsam, für sich alleine zu kochen.
Haben Sie einen Restauranttipp?
Der «Seegarten» und die «Krone» in Ermatingen sowie das «Schiff» in Mammern.
Was haben Sie als Kind am liebsten gegessen?
Chriesi – wir hatten eigene Bäume. Ich habe sie am liebsten gepflückt und gleich gegessen.
Was ist ihr Lieblingstier?
Pferde und Hunde. Aber ich mag alle Tiere. Ich bin am Welttierschutztag, dem 4. Oktober, geboren.
Sind Sie auf Social Media aktiv?
Kaum. Ich schaue zwar rein, doch ich pflege lieber den persönlichen Kontakt.
Welche Musik hören Sie gerne?
Ich bin Klassikfan und mag auch Jazz und Appenzeller Jodler.
Was für ein Buch lesen Sie gerade?
Oh, nicht nur eines: Ich habe immer mehrere und lese quer. Momentan sind dies «Gar alles» von Martin Walser, «Mehr Phantasie wagen» von Michael Ende und eines von Yasmina Reza, die ich super finde.
Was raten Sie jungen Leuten?
Den Mut haben, einfach zu machen. Auch wenn man mal eine Niederlage einstecken muss, darf man sich nicht entmutigen lassen, sondern muss wieder aufstehen und das tun, wovon man überzeugt ist.