Frauenfeld will Klarheit schaffen in der Verkehrsfrage

Tunnel oder nicht Tunnel: Darüber soll bis Ende 2020 Klarheit herrschen. Für die weitere Projektierung wollen Stadt und Kanton je 600'000 Franken aufwerfen. Der Stadtrat hat die Kreditbotschaft zuhanden des Gemeinderates verabschiedet.

Stefan Hilzinger
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Die Frauenfelder Innenstadt - hier beim Kreisel Holdertor - soll verkehrsmässig entlastet werden. (Bild: Reto Martin)

Die Frauenfelder Innenstadt - hier beim Kreisel Holdertor - soll verkehrsmässig entlastet werden. (Bild: Reto Martin)

Um sein oder nicht sein, wie bei Hamlet, geht es zwar nicht, aber immerhin um die 100-Millionen-Franken-Frage. Soll die Frauenfelder Innenstadt künftig mit einem Tunnel vom Verkehr kleinräumig entlastet werden oder genügen dazu auch oberirdische Massnahmen, wie etwa Tempo 30 oder Einbahnregime? Der Stadtrat will nun in den kommenden beiden Jahren für die Beantwortung der Frage 600'000 Franken aufwerfen.

Die Kreditbotschaft «für die Vertiefung der Machbarkeit/Vorprojekt für die zentrumsnahe Stadtentlastung» hat der Stadtrat diese Woche zuhanden des Gemeinderates verabschiedet. Die Gesamtkosten für die vertiefte Machbarkeitsstudie betragen 1,2 Millionen Franken, die sich Stadt und Kanton hälftig teilen. Es werden nun zwei Möglichkeiten zur Stadtentlastung im Detail weiter geplant:

  • «Variante 20»: Dies ist ein rund 800 Meter langer Tunnel zwischen Schweizerhof-Kreisel und Marktplatz. Die Kosten für diesen Tunnel betragen geschätzte 107 Millionen Franken, wovon die Stadt maximal 40 Prozent zu tragen hätte. Es ist die vom Stadtrat favorisierte Variante
  • «Null plus»: Als Gegenstück zur Tunnelvariante will der Stadtrat nun auch prüfen lassen, ob niederschwellige oberirdische Massnahmen die Bedingungen für eine wirkungsvolle Entlastung der Innenstadt vom Verkehr ebenfalls erfüllen – ohne den Bau eines neuen Tunnels

Auf der Suche nach Mehrheitsfähigkeit

Dieses Frühjahr führte der Stadtrat eine öffentliche Vernehmlassung zur künftigen Stadtentlastung durch. Die Tunnelvariante 20 fand bei 42 Prozent der Stellungnahmen Zustimmung, die Hälfte aber lehnt den Tunnel ab. Die Vernehmlassung habe gezeigt, schreibt der Stadt nun in der Botschaft, «dass ein beachtlicher Teil der Stellungnehmenden nur flankierende Massnahmen und Tempo 30 ohne einen Strassenneubau wünscht».

So werde die Variante «Null plus» nun vertieft ausgearbeitet. Dies soll laut Stadtrat letztlich helfen, in der für 2021 anvisierten Volksabstimmung eine Mehrheit zu finden. «Um eine Abstimmung gewinnen zu können, müssen wir klare Aussagen machen können», sagte Stadtpräsident Anders Stokholm, als der Stadtrat Anfang Oktober die Resultate der Vernehmlassung vorstellte.

Augenmerk auf Portale und Strassenraumgestaltung

In der Kreditbotschaft, die Anfang nächsten Jahres ins Frauenfelder Stadtparlament kommen dürfte, umreisst der Stadtrat, welche Aspekte der beiden Varianten für eine Stadtentlastung nun konkretisiert werden sollen. So sind dies bei der Tunnelvariante 20 etwa die künftigen Tunnelportale. «Die Zerschneidung des Marktplatzes durch die Zufahrt in die Innenstadt soll möglichst vermieden werden».

  • Die Planer sollen das künftige Verkehrsregime in der Innenstadt für die Variante 20 festlegen, die Lage des Tunnels sowie Lage und Einbettung der beiden Portale definieren und die Strassenraumgestaltung entwerfen. Schliesslich sollen auch die Kosten genauer beziffert werd
  • Bei der Variante «Null plus» soll insbesondere der Perimeter der Tempo-30-Zone festgelegt, ferner die Auswirkung des Regimes auf sämtliche Verkehrsträger aufgezeigt werden. Weiter gehe es hier – wie bei der Tunnelvariante – darum, die Strassenraumgestaltung zu prüfen und die Kosten zu klären. Zu dieser Variante gibt es bisher noch keine Kostenschätzung.

Die 1,2 Millionen Franken umfassen laut Botschaft die Kosten für Planung, Verkehrsmodell, Kommunikation, Bauherrenunterstützung und Expertentätigkeit. Die Arbeiten werden nach dem Vorgaben für das öffentliche Beschaffungswesen vergeben. In Budget und Finanzplan der Stadt sind für die nächsten beiden Jahre 300'000 Franken vorgesehen.

Da am Ende des Prozesses kein vollumfängliches Vorprojekt nach SIA-Norm resultiere, müsse bei den Kosten mit Ungenauigkeiten von +/- 25 bis 30 Prozent gerechnet werden. Eine verfeinerte Projektierung soll erst nach einem frühen Volksentscheid erfolgen, um den «Verlust an Planungsgeldern zu begrenzen».

IG Velo fordert minus 75 Prozent Verkehr

Die Kerngruppe der Interessengemeinschaft IG Velo Frauenfeld spricht sich einer Medienmitteilung nicht grundsätzlich gegen die Tunnelvariante aus. Sie unterstütze eine «kostenwirksame, effiziente, spür- und sichtbare Verkehrsentlastung des Frauenfelder Zentrums mittels einer geeigneten Tunnelvariante», heisst es.

Allerdings nur unter der Bedingung, «dass dadurch eine oberirdische Verkehrsreduktion von mindestens 75 Prozent erreicht wird». Bei der zur Diskussion stehenden Variante 20 erwartet der Stadtrat eine Entlastung von «lediglich 20 bis 50 Prozent». «Im Vergleich zu den hohen Kosten ist uns das klar zu wenig.»

«Entlastungswirkung muss verbessert werden»

Daher ist in den Augen der IG Velo bei der weiteren Planung vordringlich, die Entlastungswirkung der Tunnellösung zu verbessern, unter anderem mit oberirdischen Massnahmen wie Temporeduktion, verkehrsfreie Gebiete, lokale Einbahnen oder Sackgassen. «Diese Massnahmen müssen verbindliche Bestandteile des Projektes sein.»

Als Utopie bezeichnet die IG die weiterhin im Richtplan aufgeführte Westumfahrung Messenriet – Aumühle. Eine zentrumsnahe Verkehrsentlastung müsse deshalb auch ohne diese weiträumige Umfahrung funktionieren. Die Frauenfelder seien nicht bereit, 100 Millionen Franken zu investieren, wenn dann trotzdem weiterhin 10'000 Fahrzeuge pro Tag vor dem Rathaus verkehren.

Mitglieder der Kerngruppe der IG Velo Frauenfeld sind die Gemeinderäte Anita Bernhard (CH) sowie Andrea Ferraro und Michael Lerch (beide FDP). Ferner gehören ihr an: Kaspar Fröhlich, Architekt Bruno Stäheli und der frühere CH-Gemeinderat Benjamin Stricker Zirfass.(hil)