Finanzen
«Offensichtliche und unprofessionelle Missachtung aller Regeln»: Steckborn stimmt über kontrovers diskutiertes Budget ab

Am Sonntag befinden die Steckborner Stimmbürger an der Urne über das Budget 2021, das wider Erwarten doch nicht so ein grosses Defizit vorsieht. Dafür sind die Strategie des Stadtrates sowie eine einzelne Investition umstritten.

Samuel Koch
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Rund 3750 Einwohner wohnen im historischen Städtchen am Untersee.

Rund 3750 Einwohner wohnen im historischen Städtchen am Untersee.

Bild: Andrea Stalder

Nicht um Kopf oder Zahl wie beim Münzwurf geht es am Sonntag in Steckborn. Vielmehr geht es um Kopf und Zahl respektive Köpfe und Zahlen. Denn die Stimmberechtigten wählen an der Urne einerseits ein neues Mitglied in den siebenköpfigen Stadtrat, wobei sich Jack Rietiker, Marc Hoksbergen und Alfred Rickenbach duellieren.

Andererseits befinden die Stimmbürger übers Budget 2021. Ebenso an der Urne, weil die im Dezember geplante Gemeindeversammlung kurzfristig hat abgesagt werden müssen. Bei einem Gesamtaufwand von 16,41 Millionen Franken rechnet die Stadt mit einem Verlust von 326'000 Franken.

Dank eines in dieser Woche unterzeichneten Vertrags mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM) für die temporäre Asylunterkunft an der Talstrasse fliessen bis Ende 2025 jährlich 225'000 Franken in die Stadtkasse, die das Budget auf ein Defizit von noch etwa 100'000 Franken schönen. So der Souverän will, bleibt der Steuerfuss unverändert bei 60 Prozent.

Forderung nach «seriöser Bearbeitung»

Ziemlich unspektakulär, gäbe es am Untersee nicht Unstimmigkeiten. Die örtliche SP hat gar die Parole gefasst, das Budget abzulehnen.

«Den Stadtrat bitten wir, das Budget nochmals seriös zu bearbeiten unter Einbezug der entsprechenden Stellen beziehungsweise Abteilungsleiter.»

Das schreibt sie im «Bote vom Untersee und Rhein». Sie bezieht sich auf ein Schreiben, in dem Corinne Bolzli, Stadtschreiberin ad interim, Christian Hild, Leiter Soziale Dienste, Bauamtchef Franz Weibel und Egon Eggmann, mittlerweile pensionierter Bauleiter, gegenüber dem Stadtrat und den Ortsparteien ihre «grossen Bedenken zum Entstehen und zum Inhalt des Budgets» zum Ausdruck bringen.

Roman Pulfer, Stadtpräsident.

Roman Pulfer, Stadtpräsident.

Bild: Reto Martin

Im Brief, der diesem Medium vorliegt, bemängeln sie fehlenden Respekt und Vertrauen. Zudem sei der interne Informationsfluss zwischen Stadtpräsident Roman Pulfer sowie den Abteilungsleitern während des Budgetprozesses praktisch zum Erliegen gekommen. Nachdem Pulfer ab August das Ressort Finanzen von alt Stadtschreiber Hanns Wipf übernommen habe, seien die Leiter aus dem Budgetprozess ausgeschlossen worden. Deshalb schreiben sie:

«Die Tatsache, dass hier praktisch im Alleingang und grösstenteils in Unkenntnis der Sachzusammenhänge sowie daraus resultierender Konsequenzen mit einem Gemeindebudget umgegangen wird, darf nicht ohne Reaktion bleiben.»

Deshalb wollen sie sich angesichts «dieser offensichtlichen und unprofessionellen Missachtung aller Regeln» vom Inhalt des Budgets 2021 distanzieren.

SP bemängelt Streichung und Annullierung von Stellen

Darin beantragt der Stadtrat eine neue Stelle in der Finanzverwaltung, weshalb die Lohnkosten um 200'000 Franken steigen. Im Bauamt hingegen sei eine durch den Stadtrat bewilligte Stelle gestrichen und bei den Sozialen Diensten ersatzlos annulliert worden, wie die SP in einer Mitteilung moniert.

Stadtpräsident Pulfer will auf Vorwürfe der SP grundsätzlich keine Stellung mehr nehmen. Ebenso wenig zum Schreiben der Abteilungsleiter. Alle Budgetanpassungen ohne Rücksprache habe der Stadtrat «nach dem Konsensprinzip» vorgenommen, lässt er sich im «Bote vom Untersee und Rhein» zitieren. Immerhin habe es der Stadtrat geschafft, das ursprünglich bei zwei Millionen Franken liegende Defizit auf den jetzigen Verlust zu drücken.

Die neu beantragte Stelle soll eine bessere Führung und Steuerung der Stadtfinanzen ermöglichen, wie Pulfer sagt: «Zur konkreten Ausgestaltung der Funktion und über die Stellenbesetzung ist noch kein Beschluss gefasst.»

CVP und FDP empfehlen Nein zu Kehlhofplatz-Kredit

Nebst Budget und Steuerfuss entscheiden die Steckborner an der Urne auch einzeln über die zehn in der Investitionsrechnung aufgeführten Objektkredite mit einer Gesamtsumme von 3,79 Millionen Franken. Die beiden grössten Posten betreffen die Wasserversorgung mit 1,66 Millionen und die Sanierung und Neugestaltung Kehlhofplatz für 740'000 Franken.

Letzteren Kredit wollen die Ortsparteien CVP und FDP bodigen, wie sie mitteilen. Demnach fehlten dafür noch Planskizzen sowie eine verlässliche Kostenschätzung.

Auf ihrer Website schreibt die Stadtverwaltung, dass nach der abgesagten Versammlung zu Gunsten des Informationsbedürfnisses der Bevölkerung Fragen zum Budget 2021 gestellt werden dürfen. «Mit den Vorständen der Ortsparteien haben wir eine abendfüllende Besprechung des Budgets und der weiteren Abstimmungsvorlagen durchgeführt», sagt Stadtpräsident Pulfer. Von Stimmbürgern seien nur vereinzelte Verständnisfragen eingegangen.