Geschäftsaufgabe: Die Krise macht die letzte Hinterthurgauer Buchhandlung unverkäuflich

Mit dem Sirnacher «Buch & Papier» schliesst der letzte Buchladen im Hinterthurgau.

Roman Scherrer
Drucken
Die Botschaft auf dem Schaufenster an der Winterthurerstrasse ist unmissverständlich.

Die Botschaft auf dem Schaufenster an der Winterthurerstrasse ist unmissverständlich.

Bilder: Roman Scherrer

Unterschiedlicher könnten die Gegensätze kaum sein. Während man sich auf der rechten Seite des Sirnacher Schulhauses Breite noch über die kürzlich eröffnete Bibliothek freut, kündigt links eine leuchtend gelbe Schrift auf dem Schaufenster die baldige Schliessung des Ladens «Buch & Papier» an. «Geschäftsauflösung» und «Liquidation» ist dort zu lesen.

Barbara Gyger

Barbara Gyger

(Bild: Roman Scherrer)

Der Schritt erfolgt nicht etwa, weil sie kaum mehr etwas verkaufen würde, sagt Geschäftsinhaberin Barbara Gyger. Im Gegenteil: «Der Laden läuft gut.» Es seien mehrere Faktoren, die sie zum Entscheid bewogen haben. Einer davon betrifft ihr Alter. Die 60-Jährige hat knapp zwei Jahre lang – im Hinblick auf die Pensionierung – versucht, ihr Geschäft zu verkaufen. Und jetzt kam Corona dazwischen. «Die Krise machte den Laden nun unverkäuflich. Denn wer kauft in diesen Zeiten schon ein Geschäft? Niemand.»

Lockdown einigermassen überstanden

Während des Lockdowns sind die Einnahmen bei «Buch & Papier» zwar eingebrochen, im Bereich Papeterie und Geschenke sind sie ganz ausgeblieben. Dank eines gefragten Buch-Hauslieferdiensts habe man die Zeit dennoch einigermassen gut überstanden, berichtet Gyger. «Auch dank der Hilfe des Bundes sowie des Vermieters.» Nachdem der Laden wieder öffnen konnte, wäre aber bereits der Einkauf fürs Weihnachtsgeschäft fällig geworden. «Und dafür fehlte nun das Geld.» Würde Gyger den Laden weiterbetreiben wollen, müsste sie zudem investieren. «Ich habe zum Beispiel keinen Webshop», sagt sie.

Jetzt, wenige Jahre vor der Pensionierung, mache eine solche grössere Investition keinen Sinn. Barbara Gyger ist aber überzeugt: «Wäre ich jetzt zehn Jahre jünger, hätte ich einen Kredit vom Bund aufgenommen und wäre nochmals in die Hosen gestiegen.» Mehrmals ist die Geschäftsinhaberin auf die Eröffnung der neuen Sirnacher Bibliothek angesprochen worden. «Viele sagten, das sei ja verrückt, wenn die Konkurrenz so nahe ist.» Dabei sei die Bezeichnung Konkurrenz völlig falsch. «Es ist sogar wunderbar, dass die Bibliothek so nahe ist», sagt Gyger. Denn sie konnte die Bibliotheken aus der ganzen Region zu ihrer Kundschaft zählen.

Voraussichtlich Ende September wird Schluss sein. Diese Nachricht sorgt bei den Stammkunden von «Buch & Papier» für grosse Enttäuschung. «Sie fragen sich: Wo soll ich denn nun hin, um Bücher zu kaufen?» Auch Barbara Gyger selber fällt der Schritt schwer: «Es ist eine schmerzvolle Sache, ein Geschäft aufzubauen und dann wieder loslassen zu müssen.» Ihren beiden Mitarbeiterinnen musste sie kündigen. «Sie werde ich auch vermissen, es sind zwei tolle Frauen.»

Seit vergangener Woche läuft nun der Liquidationsverkauf, der bisher schon viel Kundschaft angezogen hat. «Fast etwas wie Weihnachten», sagt Gyger mit einem Lächeln. Was sie nach der Schliessung machen wird, weiss sie derzeit noch nicht. «Ich werde wohl erst einmal etwas trauern und Abstand gewinnen müssen.»

Lokal bereits wieder vermietet

Im April 2012 hat sie den Buchladen von Guido Besio übernommen. Schon damals stand das Geschäft kurz vor der Schliessung, weil lange kein Nachfolger gefunden wurde. Im Gespräch mit dem damaligen Inhaber entschied Barbara Gyger – damals noch Kundin – spontan, den Laden zu kaufen. «Es war der richtige Entscheid, ich habe es nie bereut», sagt sie und schaut gerne auf die vergangenen acht Jahre zurück. Einmal sei sie gar von Orell Füssli für schwedische Literatur empfohlen worden.

Bereits im Frühling hat der Aadorfer «Büecher-Chorb» seine Schliessung angekündigt. Mit «Buch & Papier» verschwindet deshalb auch noch der letzte Buchladen im Hinterthurgau. Was danach mit dem Ladenlokal an der Winterthurerstrasse in Sirnach passiert, will Barbara Gyger noch nicht verraten, nur so viel: «Es ist bereits wieder vermietet.»