Startseite
Ostschweiz
Frauenfeld & Hinterthurgau
Casimir Platzer, der oberste Schweizer Gastronom, spricht im Interview über echte Gastfreundschaft, die Leistungen und Herausforderungen der Branche und über die Stellenmeldepflicht, die derzeit «vor allem ein grosser bürokratischer Leerlauf» sei.
Dies ist ein Artikel der «Ostschweiz am Sonntag». Die ganze Ausgabe lesen Sie hier.
Seit 2014 präsidiert Casimir Platzer GastroSuisse, den Verband für Hotellerie und Restauration in der Schweiz. Der Verband zählt gegen 20000 Mitglieder. Platzer führt zusammen mit seiner Frau Muriel das Belle Epoque Hotel Victoria im Dorfzentrum Kanderstegs. Platzer ist anlässlich der Delegiertenversammlung von GastroSuisse in den Thurgau gereist. Der Verband führt im Rahmen der Versammlung erstmals den Tag der Schweizer Gastfreundschaft durch. Starkoch Anton Mosimann wird mit einer «Flamme de l’accueil» geehrt.
Wenn Sie als Gast in ein Restaurant gehen, wann schütteln Sie den Kopf?
Casimir Platzer: Entscheidend ist für mich, dass man in einem Gastwirtschaftsbetrieb herzlich begrüsst und empfangen wird. Wenn Gleichgültigkeit herrscht oder das Personal unaufmerksam ist, dann schüttle ich den Kopf.
Schütteln Sie häufig den Kopf?
Nein. Grundsätzlich haben wir ein top Gastgewerbe und eine top Gastfreundschaft in der Schweiz. Ich glaube, das schätzt die Schweizer Bevölkerung auch. Leider sind es vielfach schlechte Beispiele und schwarze Schafe, die in den Medien Platz finden.
Was macht die Schweizer Gastfreundschaft aus?
Im Schweizer Gastgewerbe haben wir qualitativ hochstehende Dienstleistungen und gute Produkte. In der Schweiz wird, gesamthaft betrachtet, auf hohem Niveau gekocht – im Gegensatz zu anderen Ländern. Das ganze Erlebnis in unserer Gastronomie stimmt. Über den Preis kann man immer diskutieren. Ich bin oft in unserem Land unterwegs und staune, dass die Leute immer sagen, Schweizer Restaurants seien so teuer. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis in der Schweiz stimmt. Natürlich weiss ich auch, dass gewisse Angebote im nahen Deutschland günstiger sind, doch das hat andere Gründe.
Dann soll sich die Schweizer Gastronomie nicht auf einen Preiskampf einlassen, sondern auf einen Qualitätskampf?
Selbstverständlich auf die Qualität und auch auf die Freundlichkeit. Klar, der Schweizer hat seine Eigenart, aber auch er kann die Gäste herzlich empfangen. Hier im Thurgau stelle ich mit Freude fest, dass Gastfreundschaft gelebt und gepflegt wird.
GastroSuisse hat in Amriswil den ersten Tag der Schweizer Gastfreundschaft durchgeführt. Gibt es zusätzliche Bestrebungen, die Gastfreundschaft zu verbessern?
Die Gastfreundschaft ist das A und O und immer eine Auseinandersetzung wert. Wir müssen die tolle Qualität und die echte Gastfreundschaft noch besser nach aussen tragen. Wir müssen die Bedeutung der Branche mehr betonen. Sei es die soziale, die kulturelle oder die wirtschaftliche. Eine Schweiz ohne Restaurants und Hotels wäre nicht die Schweiz. Die schönen Berge, die schönen Seen wären nicht so schön ohne Hütten oder Restaurants mit Terrassen. Wir sind immer da für unsere Gäste, auch am Abend und am Sonntag.
Was braucht es, um ein guter Wirt zu sein?
Neben Kompetenz viel Leidenschaft und Herzblut. Gastfreundschaft und das Gastgeber-Sein kann man nicht lernen, man muss es in sich haben.
Der Ausserhaus-Konsum der Schweizer ging vergangenes Jahr um rund 700 Millionen Franken zurück. Ist der heimische Herd die grösste Konkurrenz des Restaurants?
Der Konsument ändert seine Gewohnheiten schnell. Mit der Gesellschaft wandelt sich auch die Art der Verpflegung. Die Leute sind mobil, essen im Zug. Das hat Einfluss auf den Umsatz des Gastgewerbes. Bereiche wie Take-away und Heimlieferdienste legen zu und werden es wohl auch in den nächsten Jahren. Der Mehrjahresvergleich zeigt aber, dass 2018 für die Schweizer Gastronomie und Hotellerie ein gutes Jahr war. Die Anzahl Gäste hat zugenommen, sie haben vielleicht etwas weniger getrunken.
Welches sind Ihre Prognosen für die nächsten Jahre?
Die Stimmung im Gastgewerbe und im Tourismus ist gut, auch wenn es regionale Unterschiede gibt. Die Zahl der Logiernächte hat zugenommen. Verschiedene Faktoren können wir nicht beeinflussen: Währung, Wirtschaft und Wetter. Die Entwicklung dieser Faktoren ist entscheidend für unsere Branche.
Sie brauchen auch gutes Personal. Fachkräftemangel ist ein Thema. Wo ist der am akutesten?
Tatsache ist, dass wir allzu oft die Leute nicht finden, die wir brauchen. Deshalb appelliere ich an unsere Mitglieder, den Stellenwert der Berufsbildung hochzuhalten. Jeder Betrieb soll nach Möglichkeiten Lehrlinge ausbilden.
Seit bald einem Jahr gilt die Stellenmeldepflicht, die der Gastronomie ein Dorn im Auge ist.
Die Stellenmeldepflicht hat Fehler in der Umsetzung. Wir setzen uns dafür ein, dass diese korrigiert werden, zum Beispiel im Bereich der Berufsnomenklatur, die realitätsfremd ist.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Es wird zu wenig differenziert: Vom Tellerwäscher bis zum Gourmetkoch zum Beispiel werden alle in den gleichen Topf geworfen. Diese Vermischung verfälscht die Arbeitslosenquote, die entscheidend ist dafür, ob eine Berufsgruppe unter die Meldepflicht fällt oder nicht. Jeder Gastronom weiss, dass bei den Köchen ein Mangel herrscht. Im Moment ist die Stellenmeldepflicht vor allem ein grosser bürokratischer Leerlauf für unsere Mitgliederbetriebe. Ohne Wirkung.
Gibt es keine Betriebe, die durch die Stellenmeldepflicht zum gewünschten Personal gekommen sind?
In der Regel sind die Leute, die wir suchen, nicht beim RAV gemeldet. Wenn ich einen qualifizierten Koch suche, finde ich ihn nicht, obwohl die Arbeitslosigkeit angeblich so hoch ist.
Wir führen dieses Gespräch in Amriswil. Wie erleben Sie als Berner Oberländer den Thurgau gastronomisch?
Wir haben mit der Berner Delegation eine Ausfahrt auf Planwagen gemacht und wurden mit Wein und guten Snacks verwöhnt. Danach haben wir wunderbar gegessen in der «Seelust» in Egnach. Und ich weiss von unserem Thurgauer Direktor, Daniel Borner, dass der Thurgau eine hohe Dichte an ausgezeichneten Speiserestaurants wie dieses besitzt.
Wieso sind Sie in die Gastronomie eingestiegen?
Ich bin Sohn eines Hoteliers, es wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt. Auch wenn ich mir als junger Mann vieles überlegt habe, entschied ich mich zum Glück, in einen der schönsten Berufe einzusteigen. Und ich mache das bis heute gerne.