Coronavirus
«100 Gesuche in den ersten zwei Stunden»: Thurgauer Betriebe fiebern dem Härtefallprogramm entgegen

Am Montagmorgen ging das Thurgauer Härtefallprogramm an den Start. Die Technik funktioniert, wie Daniel Wessner, Leiter des Amtes für Wirtschaft, erklärt. Mit ersten Auszahlungen dürfen Betriebe Mitte Februar rechnen. Wettbewerbsverzerrungen seien leider nicht zu verhindern.

Sebastian Keller
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Aufgestuhlt: Dieses Bild findet sich derzeit vielfach zwischen Genfersee und Bodensee.

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Bild: Michel Canonica

Ohne Ballone und Cüpli: Am Montagmorgen eröffnete der Kanton eine Bank. Corona gebeutelte Betriebe konnten erstmals Anträge für ein Härtefall-Darlehen einreichen. «Innerhalb der ersten zwei Stunden gingen rund 100 Gesuche ein», sagt Daniel Wessner, Leiter des Amtes für Wirtschaft und Arbeit (AWA). Weitere Zahlen will das Amt am Freitag publizieren.

Erst vergangenen Mittwoch hat der Grosse Rat das Programm im Umfang von 47,7 Millionen Franken abgenickt. 18 Millionen stammen aus der Kantonskasse. Dieses Programm richtet sich an Betriebe, die stark unter der Covid-19-Pandemie leiden. Anspruchsberechtigt sind etwa Restaurants, weil der Zapfenstreich behördlich verordnet ist. Das Thurgauer Programm sieht vorerst zinslose und nachrangige Kredite vor; ab Juli besteht die Möglichkeit, einen Teil in A-fonds-perdu-Beiträge umzuwandeln.

Daniel Wessner, Chef Amtes für Wirtschaft und Arbeit.

Daniel Wessner, Chef Amtes für Wirtschaft und Arbeit.

Bild: Reto Martin

Wessner ist vorerst froh, dass die Technik funktioniert. Gesuche können nur auf dem elektronischen Weg eingereicht werden. Auch die Weiterbearbeitung erfolgt digital. «Das einzige Analoge ist der Darlehensvertrag.» Ist dieser unterschrieben, wird das Geld überwiesen. Mit ersten Zahlungen rechnet Daniel Wessner ab Mitte Februar. Die maximale Auszahlung pro Betrieb beläuft sich auf 500'000 Franken. Basis für die Berechnung bildet die Umsatzeinbusse.

Innovative Betriebe werden schlimmstenfalls bestraft

In diesem Zusammenhang sind Wettbewerbsverzerrungen nicht zu vermeiden. Beispiel Restaurants: Unter Umständen fahren die Betriebe besser, die nach der behördlich verordneten Schliessung die Herdplatte kalt liessen. Wirte, die auf Abholung oder Lieferservice setzen, möbeln ihren Umsatz auf – und verringern ihre Umsatzeinbusse. Bei der Berechnung des Anspruches könnte sich das zu ihrem Nachteil auswirken. Wessner sagt:

«Das ist leider unfair, aber so ist das System gemäss Verordnung des Bundes konstruiert.»

Das Härtefallprogramm zielt darauf ab, dass die Unternehmen ihre Fixkosten decken können. Mieten spielen dabei eine wichtige Rolle. Wessner sagt: «Weil die Mietlösung im nationalen Parlament scheiterte, zahlen das jetzt die Steuerzahler der heutigen und kommenden Generation.» Für die Lohnkosten – meist auch ein grosser Posten – gibt es nach wie vor die Kurzarbeitsentschädigung.

Bei diesem Instrument bezahlt der Staat für eine gewisse Zeit einen Teil der Lohnkosten. Im Dezember gingen etwas weniger Gesuche für Kurzarbeit ein als im Monat zuvor: 859 Betriebe reichten im November Gesuche ein, 596 waren es im Dezember. «Nun registrieren wir wieder vermehrt Anträge», sagt der Amtsleiter. Dies liege daran, dass im Januar zusätzliche Betriebe – Kleiderläden etwa – wegen Corona schliessen mussten.

Keine Konkurswelle

Zurück zum Härtefallprogramm: Volkswirtschaftsdirektor Walter Schönholzer sagte im Kantonsparlament, man rechne mit 4000 bis 6000 Gesuchen. Wessner erklärt, dass es sich bei der Zahl 6000 wohl ums Maximum handelt. «So viele Unternehmen beantragten bislang Kurzarbeit und sind daher theoretisch betroffen.» Rund 20'000 Unternehmen zählt der Thurgau.

Wessner kann sich vorstellen, dass es gar weniger sein werden. «Ich gehe davon aus, dass es grossen Teilen der Wirtschaft trotz allem nicht so schlecht geht.» Fakten belegten dies: Im vergangenen Jahr gingen so wenige Betriebe Konkurs wie lange nicht mehr. Wessner weiss:

«Auch im Januar stellen wir keinen Anstieg fest.»

Selbst Betreibungen häuften sich nicht. Dies sei wohl den staatlichen Hilfsmassnahmen – Kurzarbeit, Erwerbsersatz und Covid-19-Krediten – zu verdanken.

Wegen Corona schoss die Arbeitslosenquote 2020 in die Höhe. Im Thurgau lag sie im Dezember 2020 bei 2,8 Prozent, in den beiden Vorjahren war sie im letzten Monat des Jahres jeweils bei 2,1 Prozent.

Acht von Arbeitslosigkeit betroffene Personen haben im AWA eine befristete Arbeit gefunden. Sie prüfen die Härtefallgesuche in einem ersten Schritt auf Vollständigkeit und objektive Kriterien. So etwa, ob der Betrieb im Handelsregister eingetragen ist. Die Stellensuchenden haben einen kaufmännischen oder treuhänderischen Hintergrund.

«Sie sind motiviert und engagiert.»

Am Tag, an dem der Grosse Rat dem Thurgauer Härtefallprogramm zugestimmt hatte, ging der Bundesrat einen Schritt weiter: Er kündigte an, das Härtefallprogramm von Bund und Kantonen um 2,5 Milliarden Franken aufzustocken. Dieses Geld sei im jetzigen Thurgauer Härtefallprogramm noch nicht eingerechnet, bestätigt Wessner. Das nationale Parlament muss im Frühjahr erst darüber befinden.