Corona
Mit Modelleisenbahnen und Farbeimern: Diessenhofer Beizer trotzen der Krise

Mit dem Lockdown gehen Wirte aus Diessenhofen und Umgebung unterschiedlich um. In ihrer Existenz bedroht fühlen sich aber alle.

Thomas Brack
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Gastwirt Albin Brüllhardt in der Gaststube des Restaurants Fortuna. Sie hat sich in ein Lager von 1200 Modelleisenbahnwagons und 350 Lokomotiven verwandelt. Die Stücke stammen aus einem Liquidationsposten und sind zu Discountpreisen käuflich zu erwerben.

Gastwirt Albin Brüllhardt in der Gaststube des Restaurants Fortuna. Sie hat sich in ein Lager von 1200 Modelleisenbahnwagons und 350 Lokomotiven verwandelt. Die Stücke stammen aus einem Liquidationsposten und sind zu Discountpreisen käuflich zu erwerben.

Bild: Thomas Brack

Es waren klare Worte: Wie einem Brief des Präsidenten von Gastro-Thurgau-Präsident Ruedi Bartel an den Thurgauer Regierungspräsidenten Walter Schönholzer zu entnehmen ist, sind die Massnahmen zur Härtefallregelung im Kanton Thurgau keineswegs zur Rettung der Gastronomie ausgefallen. Sofortige A-fonds-perdu-Beiträge würden nicht mehr zur Auszahlung kommen und damit der Gewerbezweig aufs Abstellgleis gestellt.

Mit dem zinslosen Darlehen, welches jeder Gastronom ab dem 1. Februar beantragen könne, würden noch mehr Schulden aufgehäuft. Ab April seien auch die ersten Raten für den Covid-Kredit vom Frühjahr 2020 fällig. Es werde sehr schwierig, bis Ende Februar und nach zehn Wochen Schliessung die Fixkosten wie Miete Strom, Krankenkasse, Versicherungen zu zahlen. Nach Meinung des Präsidenten von Gastro Thurgau würden sehr viele Betriebe ohne A-fonds-perdu-Gelder die Durststrecke nicht bewältigen können und schliessen müssen.

Wie steht es um die Zukunft der Branche?

«Gastronomie auf schnellem Weg ins Elend» – ein solcher Titel könne demnächst in der Zeitung zu stehen kommen, ist der Vertreter dieser Branche überzeugt. Sein Brief ist ein Notruf zur Rettung seines Gewerbes – dessen Fehlen manchem Freund geselliger Begegnungen in den Gaststätten gerade jetzt so schmerzlich fehlt. Denn die Wirtinnen und Wirte sorgen ja nicht nur für das leibliche Wohl ihrer Gäste. Gaststätten erfüllen eine wichtige gesellschaftliche Funktion als soziale Treffpunkte. Sie sind Orte der Begegnung oder eben «Stätten», wo man die Seele baumeln lassen kann.

Die «Linde» hofft auf eine baldige Öffnung

Das Wirtepaar Monika und Roland Kobler in der Gaststube des Restaurants Linde im Zentrum der Altstadt von Diessenhofen. Ehemann Roland Kobler beschäftigt sich als ehemaliger Maler mit dem frischen Bemalen des Ganges und der Küche.

Das Wirtepaar Monika und Roland Kobler in der Gaststube des Restaurants Linde im Zentrum der Altstadt von Diessenhofen. Ehemann Roland Kobler beschäftigt sich als ehemaliger Maler mit dem frischen Bemalen des Ganges und der Küche.

Bild: Thomas Brack

Wie steht es nun mit hiesigen Gaststätten im Bezirk? Einige Wirtinnen und Wirte berichten über ihre Erfahrungen während der letzten Monate. So zum Beispiel Monika und Roland Kobler, die seit fünf Jahren die «Linde» in der Diessenhofer Altstadt führen. Sie bieten in ihrer durchgehend warmen Küche normalerweise verschiedene günstige Menus an, doch damit ist vorläufig Schluss. Das Restaurant unmittelbar neben dem Bannerträger-Brunnen verfügt über eine treue Stammkundschaft. «Wir haben Glück mit unserem Vermieter. Er erliess uns die Hälfte der Mietkosten», berichtet Monika Kobler. Ihr Mann Roland nutzt die frei gewordene Zeit, um die Gänge und die Küche zu malen. Er sowie eine weitere Angestellte beziehen 80 Prozent ihres vorherigen Lohns. Trotz aller Widrigkeiten reicht es knapp, um ihre berufliche Existenz vorläufig zu sichern. «Es ist die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen mit unseren treuen Gästen, die uns die Kraft zum Durchhalten gibt», erzählt die tapfere Wirtin.

Café Altstadt hat Pandemieversicherung

Im Café Altstadt berichtet William Schuurman über den Stand der Dinge in seinem beliebten Treffpunkt an zentraler Lage. Er ist auch als erfolgreicher Betreiber des Badi-Bistros am Rhein bekannt. «Wir hatten dort eine wirklich tolle Saison», schwärmt Schuurman. Im Café Altstadt läuft es «soso lala» seit der Einführung der neuen Parkordnung. Doch zu meinem Glück habe er bei der «Schweizer Mobiliar» eine Pandemieversicherung abgeschlossen. «So kann ich die laufenden Kosten berappen.» Er bemängelt die grossen Auflagen und langen Entscheidungswege des Bundes. Er betreibt ein «Take-away». Da muss er mindestens 40 Prozent Umsatzverlust nachweisen, damit er überhaupt eine Entschädigung fordern kann. Und ab dem 1. Februar ist jeder Gastwirt auf sich allein gestellt, um Unterstützung von Seiten des Bundes zu erhalten. «Vor allem, wenn ich an die über 100 Millionen Franken denke, die der Profisport mit all seinen Sponsoren à fonds perdu erhalten hat, fühle ich mich als Gastronom ungerecht behandelt.»

Restaurant Fortuna verkauft Modelleisenbahnen

Gegen den Coronakoller kämpft Gastwirt Albin Brüllhardt vom Restaurant Fortuna auf seine Art. Seine Gaststube ist voll mit Kartonschachteln und -schächtelchen der Modelleisenbahnen Spurweite HO. Verschiedene Marken über «Roco» und «Trix» bis «L.S. Model» sind darunter vertreten. Es handelt sich um 1200 Eisenbahnwagen und 350 Lokomotiven, die er allerdings teilweise vorher noch ordnen und sortieren muss. Sie stammen aus einem Liquidationsposten und sind zu Discountpreisen käuflich zu erwerben. Ein besonderes Bijou ist die Dampflokomotive «Liliput» der Baureihe 45 mit Neubaukessel DB Ep. III. Sie kostete einst 350 Franken. Dieses Eldorado für Modelleisenbahn-Freaks ist nach telefonischer Anmeldung 052 657 14 69 zu besichtigen. «Ich will einfach den Kopf nicht hängen lassen. Da brauche ich halt eine Beschäftigungstherapie», sagt Brüllhardt, der sich von der garstigen Situation in der Gastronomie nicht unterkriegen lassen will.

Restaurant Bienengarten in Schlattingen will positiv denken

Gastwirt Kumar Tharamlingam in der verwaisten Gaststube seines Restaurants Bienengarten in Schlattingen.

Gastwirt Kumar Tharamlingam in der verwaisten Gaststube seines Restaurants Bienengarten in Schlattingen.

Bild: Thomas Brack

Kumar Tharmalingam führt das Restaurant Bienengarten in Schlattingen seit 2008. Er erwarb das Gebäude vom Weinbauer Thomas Schmid, der ihm nicht nur als Weinlieferant, sondern auch sonst mit Rat und Tat zur Seite steht. Seither verschaffte er mit ausdauernder Arbeit und seinen Kochkünsten der kleinen, aber feinen Gaststätte zu ihrem Ruf. Sie ist sowohl für Schweizer als auch asiatische Küche bekannt, seine grandiosen Cordon bleus sind unter Gourmets ein Begriff. Tharmalingam ist verheiratet, er hat vier Kinder und ist ausgezeichnet im Dorfleben integriert. Der Umsatz ging in der letzten Zeit über die Hälfte zurück. Jetzt bietet er «Take-away» an. Da seine Frau seit 2011 bei ihm angestellt ist, kann er 80 Prozent ihrer Lohnkosten vom Bund beziehen. «Wir müssen positiv denken», sagt er mit funkelnden Augen. Der leidenschaftliche Koch ist nach wie vor voll motiviert, seinen Gästen das Beste aus seiner Küche anzubieten. Obschon er für sich persönlich optimistisch ist, sieht er für viele seiner Berufskollegen schwarz. «Wegen dieser Krise wird wohl die Hälfte der Gastrobetriebe im Konkurs enden», befürchtet er.