Bildende Kunst
Fotografie ist Frauensache: In der Frauenfelder Stadtgalerie Baliere stellen fünf Künstlerinnen aus – bunt und besonders

Von Dokumentarbildern aus dem Saunaclub bis zu installativen «Weltwoche»-Collagen: Das ist die neue Ausstellung in der Baliere. Die Künstlerinnen dahinter sind Andrea Tina Stalder, Irène Rüfenacht, Suzanne Hofmann-Mahler, Anna Villiger und Jasmin Schoch Kumar.

Dieter Langhart
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Die Künstlerinnen vor dem historischen Kunstort: Irène Rüfenacht und Jasmin Schoch Kumar (oben), Anna Villiger, Andrea Tina Stalder und Suzanne Hofmann-Mahler (unten).

Die Künstlerinnen vor dem historischen Kunstort: Irène Rüfenacht und Jasmin Schoch Kumar (oben), Anna Villiger, Andrea Tina Stalder und Suzanne Hofmann-Mahler (unten).

Bild: Kevin Roth

Wer kennt nicht Andrea Tina Stalders Aufnahmen in der «Thurgauer Zeitung» – die 29-Jährige ist aber nicht nur Pressefotografin und begeisterte Kitesurferin, sie hat auch eine dokumentarische Ader. Ein Jahr hat sie jenen Ort besucht, den sie von Kind auf kannte, wo ihre Familie jeweils Silvester feierte: den FKK-Saunaclub der Grosstante («Vater, was für Tanten sind das?»).

Ein Bild von Andrea Stalder bei der aktuellen Ausstellung «Fotografie».

Ein Bild von Andrea Stalder bei der aktuellen Ausstellung «Fotografie».

Bild: Kevin Roth

Entstanden ist eine autobiografische Reportage aus einer extremen Nähe heraus und einer neuen Sichtweise nach Gesprächen mit den Frauen, die sich wahrgenommen fühlten – und ohne jeglichen Voyeurismus. Die in ein Buch gefasste Reportage bildete Stalders Abschlussarbeit an der Hochschule Luzern. In der Baliere zeigt sie einige Aufnahmen daraus; die meisten sind auf kleine Formate gedruckt, um diese «intime», heikle, vielleicht fast schon zerbrechliche Atmosphäre näherzubringen. Sie sagt:

Ein Bild von Jasmin Schoch Kumar bei der aktuellen Ausstellung «Fotografie».

Ein Bild von Jasmin Schoch Kumar bei der aktuellen Ausstellung «Fotografie».

Bild: Kevin Roth
«Ich möchte den Betrachter an der Hand nehmen und ihn diese ‹Verwirrung› spüren lassen, die ich erlebt habe, diese Verschiebung der Wahrnehmung vom Mädchen hin zur Erwachsenen.»

Die ausgebildete Fotografin Irène Rüfenacht aus Dachsen hat Ghassan Kanafanis Buch «Das Land der traurigen Orangen» nachdenklich gestimmt, sie wollte mehr wissen und Palästina bereisen; zuletzt war sie 2018 da. Mit ihren Aufnahmen aus dem zerrissenen Land, vor allem aus Hebron und Bethlehem, will sie die Menschen in einem besetzten Land zeigen, in dem «beide Seiten nicht unschuldig sind». Ihre Aufnahmen bilden ab, klagen nicht an, stehen für sich: spielende Kinder in Nablus oder eines von Banksys vielen Graffiti auf der Mauer in Bethlehem oder ein Olivenhain bei Farkha, in dem sie den Kleinbauern bei der Ernte half. Und auf einem Sockel steht eine Flasche Olivenöl aus Palästina.

Ein Bild von Suzanne Hofmann-Mahler bei der aktuellen Ausstellung «Fotografie».

Ein Bild von Suzanne Hofmann-Mahler bei der aktuellen Ausstellung «Fotografie».

Bild: Kevin Roth

Die in Frankreich geborene Frauenfelderin Suzanne Hofmann-Mahler (Jahrgang 1946) fotografiert seit langem, seit sie eine Kodak Instamatic für Kassettenfilm zur Konfirmation geschenkt bekam. In Bildpaaren widmet sie sich Assoziationen und Vergleichen, also Motiven, die aussehen wie etwas ganz anderes. Hier trifft eine Gaube der Kartause Ittingen auf einen Uhu, da gesellen sich Kanus mit einem Bananenbüschel. Hofmann sagt:

«Manchmal spielt der Zufall oder das Glück mit, und einige Fotografien warten immer noch auf ein geeignetes Gegenstück.»

«Weltwoche»: feministisch umgedeutet und vertont

Ein Bild von Irène Rüfenacht bei der aktuellen Ausstellung «Fotografie».

Ein Bild von Irène Rüfenacht bei der aktuellen Ausstellung «Fotografie».

Bild: Kevin Roth

Zu den drei Fotografinnen hat Kuratorin Carole Isler zwei Gäste eingeladen. Jasmin Schoch Kumar (Jahrgang 1991) malt, seit sie Kind war, findet so den Zugang zu ihrer inneren Welt. Sie ist Autodidaktin, setzt verschiedene Techniken und Stilformen ein, mag es gern kräftig in Acryl. Sie interessiert sich für Russland, lernt die Sprache seit sieben Jahren. Die Bilder in der Baliere – ihre erste Ausstellung – zeigen Motive und Ornamente, die vom Norden und vom Orient inspiriert sein mögen, Spiegel auch einer Sehnsucht. Zu allen Aufnahmen stellt sie nachdenkliche Texte, die im Nachhinein entstanden sind und sie sich neu mit den Bildern befassen lassen.

Den Ausstellungsbogen rundet Anna Villiger (Jahrgang 1993) im Keller ab. Aus feministischer Warte knöpft sie sich Texte aus der «Weltwoche» vor und dreht den Spiess um – mit Humor:

«Das ist eine Art spassige Therapie für mich.»
Ein Bild von Anna Villiger bei der aktuellen Ausstellung «Fotografie».

Ein Bild von Anna Villiger bei der aktuellen Ausstellung «Fotografie».

Bild: Kevin Roth

Sie schwärzt Stellen in mehreren Artikeln ein, manchmal fast alles, vertont zudem, was sie hat stehen lassen, mit der Stimme einer Freundin. So entstehen Songs, die aus der Installation eine Art Performance machen. Zudem: Anna Villiger wird Carole Isler als Kuratorin der Stadtgalerie nach der Gruppenausstellung zu den Frauenfelder Kulturtagen ablösen.

Stadtgalerie Baliere am Kreuzplatz. Vernissage: Do, 20.5., 16–20 Uhr. Do 17–20, Sa/So 12–16 Uhr; bis 13. Juni.