Interview
Ueli Fisch zur Abstimmung über das Öffentlichkeitsprinzip im Thurgau: «Mauschelei wird unterbunden»

Ueli Fisch kämpft an vorderster Front für ein Öffentlichkeitsprinzip. Im Interview sagt der GLP-Kantonsrat aus Ottoberg, wieso der Thurgau dieses nötig hat und äussert zudem seine Abstimmungsprognose für den 19. Mai.

Sebastian Keller
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Ueli Fisch, GLP-Kantonsrat, ist Vorkämpfer für ein Öffentlichkeitsgesetz im Thurgau. (Bild: Andrea Stalder)

Ueli Fisch, GLP-Kantonsrat, ist Vorkämpfer für ein Öffentlichkeitsgesetz im Thurgau. (Bild: Andrea Stalder)

Sie kämpfen seit vier Jahren für das Öffentlichkeitsprinzip im Thurgau. Wieso ist Ihnen das so wichtig?

Ueli Fisch: Es ist es für mich mittlerweile zu einer Herzenssache geworden. Wenn ich etwas beginne, führe ich es zu Ende. Zudem wird der Thurgau immer mehr zu einer Insel: Bald ist er der letzte Kanton, der kein Öffentlichkeitsprinzip kennt. Eine Dunkelkammer, wie ich immer gerne sage.

Nur weil es andere machen, muss es der Thurgau doch nicht auch machen.

Nehmen Sie den Fall Hefenhofen. Die Untersuchungskommission empfiehlt die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips. Der Thurgau ist kein eigenes Land, sondern ein Kanton in einem Land. Es könnte Probleme geben, wenn der Thurgau mit anderen Kantonen oder dem Bund, die das Öffentlichkeitsprinzip haben, zusammenarbeitet.

«Dabei stellt sich die Frage: Gilt das Geheimhaltungsprinzip des Thurgaus oder das Öffentlichkeitsprinzip der anderen?»


Das Öffentlichkeitsprinzip ist dem Stimmbürger nicht so einfach zu verkaufen wie der Bau einer Mehrzweckhalle oder eine Strasse. Wie gehen Sie es an?

Es ist eine eher technische Sache. Aber man kann es an einzelnen Beispielen festmachen.

An welchen?

Auf Gemeindeebene ist die Vergabepolitik ein zentrales Thema. Wieso bekommt Handwerker Müller, dessen Schwager im Gemeinderat sitzt, den Auftrag und nicht Huber? In so einem Fall sollte man nachfragen können, wie der Gemeinderat zu seinem Entscheid gekommen ist. Heute sind der Behörde die Hände gebunden. Es droht eine Verletzung des Amtsgeheimnisses.

Aber mit dem Öffentlichkeitsprinzip würde das Geschäftsgeheimnis verletzt?

Nein, es geht ja nur um den Betrag und die Kriterien, die bei der Vergabe gegolten haben. Bei freihändigen Verfahren bleiben diese heute geheim. Auch mit dem Öffentlichkeitsprinzip müssen keine Geschäftsdokumente veröffentlicht werden.

Dann nützt das Öffentlichkeitsprinzip nicht primär neugierigen Bürgern?

Der Befürchtung, dass Querulanten Tür und Tor geöffnet werden, widersprechen die Erfahrungen in anderen Kantonen. Querulanten, die Behörden beüben, gibt es heute schon. Es ist ein Informationsinstrument, mit dem der Bürger wie auch das Gewerbe arbeiten kann.

Im Laufe des Diskurses hiess es immer wieder, der Kanton informiere von sich aus. Reicht das nicht?

Was der Kanton generell macht, ist gut. Reicht aber in einzelnen Fällen nicht.

«Das hat zum Beispiel Hefenhofen gezeigt.»

Was hätte das Öffentlichkeitsprinzip im Fall Hefenhofen gebracht?

Der Kanton hätte früher informieren oder Tierschutzverbände hätten früher Informationen abfragen können. Dann wäre das Ganze vielleicht eher an die Öffentlichkeit gelangt. Es war auch der öffentliche Druck, der zum Durchgreifen geführt hat.

In der Botschaft des Regierungsrates steht, es handelt sich um eine Holschuld. Wer Informationen will, muss sie beantragen.

Damit wird die Willkür aus der Welt geschafft. Heute sagt eine Behörde, ich gebe das nicht raus, die andere ist unsicher und die dritte bietet Hand. Die Behörden sind in einem Dilemma. Deshalb wollen wir ihnen mehr Rechtssicherheit geben.

Das Amtsgeheimnis bleibt bestehen.

Alles, was Personendatenschutz ist, bleibt geheim. Steuerdaten, Sozialdaten, Alimente, Stipendien und so weiter.

Sie sind Kantonsrat, können mit Vorstössen Auskunft verlangen. Haben Sie heute schon Mühe, an Informationen zu kommen?

Auf Kantonsebene … Jein. Gewisse Informationen sind aber nur der Geschäftsprüfungs- und Finanzkommission, der GFK, zugänglich.

Zum Beispiel die Berichte der Finanzkontrolle.

Genau. Wieso hat nur die GFK Einblick in diese Dokumente? Vermutlich wird dieses Problem aber selbst mit dem Öffentlichkeitsprinzip nicht gelöst.

Im Kanton St. Gallen sind Revisionsberichte der Finanzkontrolle explizit vom Öffentlichkeitsgesetz ausgenommen.

Genau, aber auf Bundesebene ist es anders. Das zeigt, dass das Öffentlichkeitsprinzip nicht überall gleich angewendet wird. Das ist unserem föderalen System geschuldet. Für mich zielt das Öffentlichkeitsprinzip im Thurgau vor allem auf die Gemeinden ab.

«Es sind willkürliche Entscheide, worüber in den Gemeinden informiert wird», sagt GLP-Kantonsrat Ueli Fisch. (Bild: Andrea Stalder)

«Es sind willkürliche Entscheide, worüber in den Gemeinden informiert wird», sagt GLP-Kantonsrat Ueli Fisch. (Bild: Andrea Stalder)

Wieso das?

Man kann es unter dem Begriff Willkür zusammenfassen. Es sind willkürliche Entscheide, worüber in den Gemeinden informiert wird. Politik darf nicht in der Verwaltung gemacht werden. Die Verwaltung ist eine steuerfinanzierte Dienstleistungsorganisation.

In der Botschaft heisst es: Vom Einsichtsrecht werde nur selten Gebrauch gemacht. Wieso braucht es denn ein neues Gesetz?

Deshalb sagen wir auch, dass es keine hohen Kosten verursacht. Es soll zur Anwendung gelangen, wenn man es braucht. Im Kanton Zug gab es im ersten Jahr nach der Einführung 35 Zugangsgesuche, von denen einige abgelehnt wurden.

«Wenn es hochkommt, gibt es im Thurgau vielleicht 100.»

Gibt es Beispiele vom Bund oder aus anderen Kantonen, wo das Öffentlichkeitsprinzip etwas gebracht hat?

Ich habe die Solothurner Gemeinde Matzendorf angerufen. Dort sagte man mir, die anfänglichen Schwarzmaler seien verstummt. Heute würden Protokolle der Gemeinderatssitzung auf der Website veröffentlicht. Ein Schattenprotokoll gebe es nicht.

Die Gegner argumentieren, dass Schattenprotokolle erstellt werden müssten.

In Matzendorf ist das zumindest nicht der Fall. Es gibt ein verbindliches Protokoll auf der Website. Wenn sie ein Steuererlass gewähren, wird der Name geschwärzt. Das ist die einzige zusätzliche Arbeit. Das ist eine Mehrarbeit, aber sie ist vertretbar.

«Ein Stellenausbau ist nicht zu befürchten.»

Dank des Öffentlichkeitsgesetzes konnten die Spesenexzesse bei der Armee ans Licht gebracht werden. Das sind hübsche Schlagzeilen, aber was bringt es der Demokratie?

Ich bin der Meinung, dass Mauschelgeschichten unterbunden werden, wenn die Verantwortlichen befürchten müssen, dass etwas ans Licht kommt.

Ueli Fisch präsidiert das überparteiliche Initiativkomitee, das für ein Öffentlichkeitsgesetz im Thurgau kämpft. (Bild: Andrea Stalder)

Ueli Fisch präsidiert das überparteiliche Initiativkomitee, das für ein Öffentlichkeitsgesetz im Thurgau kämpft. (Bild: Andrea Stalder)

Zurück in den Thurgau. Bis auf die FDP haben alle Parteien bisher die Ja-Parole gefasst. Sind Sie siegesgewiss?

Ich hätte nie gedacht, dass der Wind dreht. Es wird knapp. Das zeigt auch das hauchdünne Resultat der Parolenfassung bei der SVP, der wählerstärksten Partei. Entschieden wird am 19. Mai.

Es ist Ihr zweiter Anlauf für ein Öffentlichkeitsgesetz im Thurgau. Mit dem ersten sind Sie im Grossen Rat gescheitert. Sagt das Volk am 19. Mai Nein, gibt Ueli Fisch auf?

Nein, aber dieses Worst-Case-Szenario existiert derzeit für mich nicht. Klar ist: Der Thurgau braucht besser früher als später ein Öffentlichkeitsgesetz.

Webseite des Initiativkomitees