Robert Zellweger aus Wienacht-Tobel beantwortet seit drei Jahren die Briefe an das Christkind. Es ist eine Aufgabe, die er gerne macht. Nicht immer sind es aber Wunschlisten, die an ihn gerichtet werden.
Es sind herzzerreissende Briefe. Solche, in denen sich die Kinder wünschen, dass Mama und Papa sich wieder vertragen. Post aus der Ukraine beinhaltet aktuell meistens den Wunsch nach Frieden. Erwachsene schreiben Geschichten aus ihrem Leben oder bitten um Kontaktaufnahme mit ihren Liebsten. Und Kinder aus der Schweiz schicken dem Christkind Zeichnungen und legen ihre Wunschlisten bei. All das stapelt sich bei Robert Zellweger in Wienacht-Tobel auf dem Esstisch. «Jeder Brief ist anders, jeder ist speziell und über jeden einzelnen freue ich mich.» Der 66-Jährige liest sie alle durch, schreibt eine individuelle Antwort und steckt sie mit einer von ihm ausgesuchten Weihnachtsgeschichte ins Couvert.
Vor drei Jahren hat Zellweger das «Amt» des Christkinds vom damaligen Posthalter Willi Würzer übernommen. Seitdem kommen alle Briefe, die mit «Christkind» und Wienacht oder Heiden adressiert sind, zu ihm. Das sind etwa 400 pro Jahr. In diesem Jahr dürften es aber rund 500 werden. Die Post hatte aus Versehen seine Adresse auf der Website veröffentlicht. Hintergrund: Kinderbriefe mit fantasievollen Adressen wie etwa «Liebes Christkind im Himmel» oder «Père Noël, pôle Nord» kommen normalerweise zur Sammelstelle der Post nach Cadenazzo und werden dort beantwortet. Das sind rund 36'000 pro Jahr. Warum die Post kurzzeitig die Adresse Himmelspforte 1, Wienacht, aufgeschaltet hat, weiss Zellweger nicht. Aber er nimmt die zusätzlichen Briefe gerne entgegen.
«Ich liebe es, die Schreiben zu beantworten», so der 66-Jährige.
«Es gibt doch nichts Schöneres, als Freude zu verbreiten.»
Da nimmt er den Aufwand gerne in Kauf. 1,5 Stunden dürfte es heute dauern, elf Briefe sind in der Post. «Normalerweise sind es etwa 15 pro Tag», sagt Zellweger. Die versucht er, unverzüglich zu beantworten. Wenn er ein paar Tage verreist ist, stapeln sich die Briefe. 70 innert 48 Stunden hat er schon abarbeiten müssen. «Wenn es so viele auf einmal sind, muss ich aufpassen, dass meine Handschrift leserlich bleibt», so Zellweger. Notfalls helfen seine Frau Maria und seine Mitarbeiterinnen mit. Zellweger ist Inhaber der Hoewa GmbH, Dentalinstrumente. Mittlerweile sei er aber «fast pensioniert», wie er sagt. Nur ab und zu ist er im Betrieb noch aktiv.
Der Betrieb übernimmt auch die Kosten für das Papier und die Couverts, die Briefmarken bezahlt der Verkehrsverein. Seit diesem Jahr werden alle Antwortschreiben auch mit einem eigens designten Christkind-Stempel versehen. Der frühere Poststempel, den Würzer nutzte, wird von der Post nicht mehr zur Verfügung gestellt. Kurzerhand kreierte eine Kollegin Zellwegers selber einen.
Der erste Brief dieses Jahr kam Ende September. Seit Mitte November flattern täglich die Schreiben ins Haus. «Sie kommen aus der ganzen Welt. Ich habe Post aus dem deutschsprachigen Raum, aus den USA, Russland, Dubai oder auch aus Japan.» Deutsch, Englisch und Französisch seien für Zellweger kein Problem. Bei Sprachen mit kyrillischer Schrift helfe eine Bekannte. Und ansonsten gebe es gute Übersetzungsprogramme. Das «Christkind» weiss sich zu helfen. Ein Absender in Japanisch hat er kurzerhand auch schon ausgeschnitten und aufs Antwortcouvert geklebt. Fehlt eine Adresse, recherchiert Zellweger im Internet oder fragt auf der Post Heiden nach. Bei einem Mädchen, von dem er nur die Telefonnummer hatte, schrieb er der Mutter eine Whatsapp-Nachricht mit der Bitte um die Adresse. Nichts lässt er unversucht. Nur ein Brief sei bislang als unzustellbar zurückgekommen.
Er zückt die Karte von der kleinen Lena. Sie bittet um Antwort. Ihre Lehrerin habe ihr gesagt, dass sie eine solche bekommen werde. «Aber ohne Absender und vollen Namen? Keine Chance», so Zellweger. Solche Briefe gehen ihm mehr zu Herzen als all die persönlichen Schicksale, die er zu lesen bekommt. Die andere Schwierigkeit, mit der er sich konfrontiert sieht: Aus den Vornamen lässt sich nicht immer schliessen, ob ein Junge oder Mädchen geschrieben hat. Auch hier hat er schon unauffällig bei der Lehrerin nachgefragt. Denn: «Es wäre mir peinlich, wenn ich die falsche Anrede benutzen würde.»
Doch was antwortet er eigentlich? Zellweger schmunzelt. «Kinder wollen vielfach wissen, ob ich gerade vom Esel gesprungen sei oder wie alt ich bin. Da flunkere ich etwas, sage, dass ich Esel besitzen würde und mittlerweile schon sehr alt sei.» Auf die Frage hin, ob es das Christkind überhaupt gibt, antwortet jenes dann: Wenn du fest an mich glaubst, dann existiere ich auch. «Solange man den Glauben aufrechterhalten kann, soll man dies auch tun.» Zellweger beginnt zu lächeln: Ein Kind hatte ihn einst um einen Aufräumroboter gebeten, sodass es sein Zimmer nicht mehr aufräumen musste. «Ich schrieb ihm, dass ich so einen auch gerne hätte.» Und was ist mit den Wünschen nach Frieden? «Das wünscht sich das Christkind zwar auch. Doch es steht leider nicht in seiner Macht, alle Wünsche zu erfüllen.»