Im Ortsmuseum Amriswil gab Roland Walter einen spannenden Einblick in die Geschichte der Thurgauer Kantonalbank Amriswil.
«Die erste Einnehmerei der TKB wurde im Jahre 1893 in Amriswil an der Weinfelderstrasse 7 eröffnet.», erzählte Roland Walter, Leiter der TKB-Geschäftsstelle Amriswil. Roland Walter war am Sonntagnachmittag Gasterzähler im Ortsmuseum Amriswil. Zahlreiche Besucherinnen und Besucher kamen in den Genuss einer spannenden Erzählstunde.
Die TKB wurde 1871 als «Thurgauische Kantonalbank» gegründet. Nachdem die Industrialisierung und der Bau der ersten Eisenbahnlinien den Alltag vieler Menschen verändert hatten, entstand in den 1860er-Jahren die Demokratische Bewegung. Die Demokraten forderten die Gründung einer Kantonalbank, damit günstige Kredite nicht nur der wohlhabenden Oberschicht, sondern auch dem Gewerbe, der Landwirtschaft und der breiten Bevölkerung zugänglich wurden. Dies führte zu einer Verfassungsreform im Thurgau. Die neue Verfassung enthielt einen Artikel, der den Staat zur Gründung einer Kantonalbank verpflichtete. Der Grosse Rat entwarf ein Gesetz, das im April 1870 an der Urne angenommen wurde. Im Mai 1871 öffnete die TKB ihre Schalter in Weinfelden.
Die Ausgabe von Banknoten sei bis zur Gründung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) Sache der Kantone gewesen. So brachte die TKB noch in ihrem Gründungsjahr 1871 eigene Noten heraus. Bis zu fünf Millionen Franken in Thurgauer Noten seien Ende des 19. Jahrhunderts in Umlauf gewesen. Als die SNB im Jahre 1907 eröffnete, zog die TKB ihre Banknoten schrittweise bis 1910 zurück.
Die Einnehmerei wurde von Lehrer Keller geführt
1893 seien in Frauenfeld und Romanshorn Geschäftsstellen sowie in Kreuzlingen eine Agentur eröffnet worden. Weitere 25 Einnehmereien, wovon auch eine in Amriswil, dienten dem eigentlichen Sparkassenverkehr. Die Einnehmerei an der Weinfelderstasse 7 wurde von Lehrer W. Keller bei sich zu Hause geführt. Daneben bestand in Amriswil eine Filiale der Leih- und Sparkasse des damaligen Bezirks Bischofszell. Der Präsident der TKB, Direktor H. Kundert von Muralt, war der Sohn des Präsidenten der Leih- und Sparkasse Bischofszell. So kam es mit Zustimmung der Aktionäre beider Banken zu einer neuen Geschäftsstelle der TKB.
Das erste Domizil der TKB-Geschäftsstelle Amriswil (ab 1895) befand sich im Haus an der Bahnhofstrasse 26 beim Adlerplatz. Ursprünglich sei dieses Haus im Besitz von Josef Sallmann gewesen. Er habe es mit seiner Familie bewohnt und dort eine Trikotfabrikation betrieben. Die Liegenschaft habe später den Besitzer gewechselt. «Hinter dem hölzernen Korpus standen zwei Stehpulte. Daran arbeiteten der Herr Verwalter Wehrli und der Lehrling Jakob Brühlmann. Anstelle von Schreib- und Rechenmaschinen gab es eine alte Kopierpresse, mit welcher es nur selten gelang, eine saubere Kopie zu erstellen», erzählte Roland Walter. Ein erstes Telefon gab es auch – es sei ein imposanter Kasten an der Wand gewesen. Das wichtigste Requisit dieser Geschäftsstelle sei jedoch ein Ledersofa gewesen. Auf diesem habe der Verwalter Wehrli besonders an warmen Sommertagen sein Mittagsschläfchen gemacht. Den freien Samstagnachmittag kannte man nicht, und am Sonntag musste der Lehrling regelmässig die Post sortieren.
Im Frühjahr 1898 siedelte die Bank in das Haus an der Bahnhofstrasse 16 um, in eingemietete Räume. Durch die gestiegenen Anforderungen erwarb die Bank im Jahre 1904 von Kaufmann U. Rutishauser das Grundstück zu einem Preis von 10'000 Franken. «Das würde mit den heutigen Preisen wahrscheinlich nur für wenige Quadratmeter reichen», bemerkte der Gasterzähler.
Im 19. Jahrhundert erledigten die Bankangestellten sämtliche Rechenarbeiten von Hand. Der Bankausschuss der TKB habe 1912 den Kauf der ersten Rechenmaschine genehmigt. Die mechanische Additionsmaschine, ein amerikanisches Ungetüm der Marke Burroughs, habe 3450 Franken gekostet – nach heutigem Geldwert gegen 40'000 Franken. Ein halbes Jahrhundert blieb es bei mechanischen Maschinen. Der erste Computer habe 1966 Einzug gehalten. Der IBM-Grossrechner ermöglichte mittels Lochkarten und Magnetbändern, einzelne Schritte in der Buchhaltung zu automatisieren. 1973 wurden die Filialen über das Telefonnetz an das Rechenzentrum angebunden. Mittels Datenfernverarbeitung waren Buchungen nun ohne Umweg über den Hauptsitz möglich.
Banken waren eine Männerdomäne
Banken waren bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Männerdomäne. Erst nach dem Ersten Weltkrieg stellte die TKB die erste Frau ein. 1919 beantragte die Direktion dem Bankausschuss, ein Fräulein für leichtere Büroarbeiten einzustellen. Die historischen Protokolle zeigen, dass der Bankausschuss zunächst skeptisch war. Mit der Anstellung eines Fräuleins sei allerdings der erste Schritt zu einem Kulturwandel gelungen. Der ersten Mitarbeiterin folgten in den 1920er-Jahren schon bald weitere Frauen. Heute sind gegen die Hälfte der rund 800 TKB-Mitarbeitenden weiblichen Geschlechts.
Trotz des vermeintlich guten Standortes bestanden Uneinigkeiten zwischen den «Unterdörflern» und den «Oberdörflern». Schlussendlich wurde an der Bahnhofstrasse 42 in den Jahren 1907/08 ein Neubau mit Tresor-Anlage errichtet.
Seit dem 22. November 1986 befindet sich die Amriswiler Filiale der TKB an der Ecke Rütistrasse/Kirchstrasse. «Die Restaurants Tell und Falken sowie das Kleidergeschäft mussten für den heutigen vierten Standort weichen», erklärte Roland Walter. Im 1988 gab sich die TKB einen neuen Markenauftritt: Aus der «Thurgauischen Kantonalbank» wurde die «Thurgauer Kantonalbank».
Seit Anfang 2020 tragen Mitarbeitende der TKB keinen Rang mehr – in Briefsignaturen oder auf Visitenkarten gibt es keine Bezeichnungen mehr, wie beispielsweise «Direktor» oder «Mitglied des Kaders». Damit werde ein zeitgemässer Akzent gesetzt und gezeigt, dass die Unternehmenskultur auf flache Hierarchien und das Miteinander setze.
Zurzeit arbeiten bei der TKB Amriswil 21 Personen im Privatkundengeschäft, wovon fünf Auszubildende entweder in Amriswil oder in den Fachzentren in Weinfelden ihre Ausbildung absolvieren.