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Forschende des Paul-Scherrer-Instituts haben bei einem neuartigen Material nie zuvor gesehene elektronische Eigenschaften beobachtet. Diese Eigenschaften beruhen auf der speziellen Anordnung der Atome, aus denen das kristalline Material besteht.
Der Kristall bestehe aus Aluminium- und Platin-Atomen, die in den einzelnen, symmetrisch sich wiederholenden Einheiten des Kristalls so angeordnet sind, dass es ein wenig an eine Wendeltreppe erinnert, teilte das PSI am Dienstag mit. Der Kristall als Ganzes erhält dadurch spezielle elektronische Eigenschaften: In dem Material fand sich ein Typ Quasiteilchen, der 1941 theoretisch vorhergesagt wurde.
Die Forschenden um Niels Schröter vom PSI haben nun gemeinsam mit internationalen Kollegen aus Deutschland, Grossbritannien, Spanien und den USA den ersten experimentellen Nachweis für diese Quasiteilchen geliefert. Davon berichten sie im Fachblatt "Nature Physics".
Bei Quasiteilchen handelt es sich um Zustände im Material, die sich in gewisser Weise wie "echte" Elementarteilchen verhalten. Bei den nun nachgewiesenen Quasiteilchen handelt es sich um sogenannte Rarita-Schwinger-Fermionen, die von den Physikern William Rarita und Julian Schwinger theoretisch vorhergesagt wurden.
"Mit blossem Auge betrachtet war unser Kristall einfach ein kleiner Würfel: etwa ein halber Zentimeter gross und schwarz-silbern", sagte Schröter gemäss der Mitteilung. Der Kristall wurde von Forschenden in Dresden mit einem besonderen Verfahren hergestellt. Ziel war, eine massgeschneiderte Anordnung der Aluminium- und Platin-Atome im Kristallgitter zu erzeugen.
Dies gelang mit der Anordnung der Atome in Wendeltreppen-Form. Damit handelte es sich bei dem Kristall um ein sogenanntes chirales Material. Chiralität lässt sich gut mit einem Spiegelbild oder den menschlichen Händen nachvollziehen: Sie sind gegenläufig orientiert und egal wie man sie dreht und wendet, können sie nie exakt überlappen. Die "Wendeltreppe" in einem chiralen Kristall kann also entweder links oder rechts herum drehen.
"Wir Forschenden finden chirale Materialien sehr spannend, denn mathematische Modelle machen etliche Voraussagen, dass sich darin exotische physikalische Phänomene finden lassen", erklärte Vladimir Strocov vom PSI.
Das bestätigte sich bei dem nun untersuchten Kristall, dessen elektronische Eigenschaften die Forschenden mithilfe der sogenannten Fotoelektronenspektroskopie sichtbar machten. Die Analysen zeigten auch, dass es sich bei dem Kristall nicht nur um ein chirales, sondern auch um ein topologisches Material handelt. Seine elektronischen Eigenschaften sind im Inneren anders als an seiner Oberfläche. Der Kristall gehöre damit zu einer völlig neuen Materialsorte, welche die Wissenschaftler als chirales topologisches Semimetall bezeichnen.
Solche Materialien mit exotischen Eigenschaften sind deshalb interessant, weil sie sich für Anwendungen in der Elektronik der Zukunft eignen könnten. Beispielsweise für elektronische Bauteile, die weniger Energie verbrauchen und immer dichtere und schnellere Datenspeicherung ermöglichen.