Theater in der Krise
Geschäftsleiter der Kaserne über Betriebsschliessung: «Wir sind uns Flexibilität gewohnt»

In der Kaserne Basel sind alle Betriebe geschlossen. Was das genau bedeutet, sagt Geschäftsleiter Thomas Keller.

Mathias Balzer
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Thomas Keller, Geschäftsleiter der Kaserne Basel, schläft trotz Corona gut.

Thomas Keller, Geschäftsleiter der Kaserne Basel, schläft trotz Corona gut.

Mark Niedermann

Die Kulturszene wurde von der Coronakrise zuallererst getroffen. Seit gut einem Monat gelten Veranstaltungseinschränkungen und -verbote. Künstler und Veranstalter haben mit grossen Planungsunsicherheiten und finanziellen Einbussen zu kämpfen, und niemand weiss, wie lange der kulturelle Lockdown noch anhält. Wie geht ein mittelgrosser Kulturbetrieb wie die Kaserne Basel damit um? Wir haben den Geschäftsleiter Thomas Keller gefragt.

Herr Keller, können Sie noch schlafen?

Thomas Keller: (lacht) Ja, ich schlafe immer noch ruhig.

Was beschäftigt Sie in dieser Krise am meisten?

Da ist sicher einmal die grosse finanzielle Unsicherheit und die Frage, wie es mit uns weiter geht. Wir haben derzeit keine Einnahmen von Veranstaltungen und die Gastronomie, eine für uns wichtige Einnahmequelle, steht auch still.

Wie reagieren Sie darauf?

An vorderster Stelle gilt die Sorge all unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das sind einerseits die Festangestellten, für die wir letzte Woche Kurzarbeit beantragt haben. Andererseits arbeiten wir mit vielen Freelancern zusammen, denen wir ebenfalls versuchen, unter die Arme zu greifen.

Thomas Keller

Thomas Keller ist seit 2008 Geschäftsführer der Kaserne Basel, Vorstandsmitglied bei Pro Kasernenareal und beim Kulturbüro Basel. Er hat seither massgeblich zur nationalen und internationalen Profilierung des Theater- und Konzertbetriebs in der Kaserne beigetragen.

Keller ist 1973 in Bern geboren und hat dort Germanistik und Theaterwissenschaften studiert. Nach der Leitung des Studententheaters der Uni Bern hat Keller seit dem Jahr 2000 für verschiedene Festivals, Regisseure und Theaterformationen gearbeitet, u.a. für Öff Öff Productions in Bern und Krautproduktionen in Zürich. (bal)

Mit Geldern aus der Kurzarbeit können Sie rechnen. Aber wer deckt die fehlenden Einnahmen ab?

Unmittelbar stellt sich die Frage nach der Liquidität. Vorerst ist diese für die kommenden Monate gesichert.

Das heisst, Sie gehen auch zu Ihrer Bank?

Wir könnten via BKB auch auf Kreditmöglichkeiten zurückgreifen. Aber als subventionierter Betrieb erhalten wir die Gelder für unsere Dienstleistungen weiter. Wir stehen da im engen Dialog mit der Stadt und der Abteilung Kultur und erhalten derzeit viel Unterstützung.

Also zeichnen sich Lösungen im finanziellen Bereich ab?

Ich denke schon. Wir haben ja Zeichen vom Bund und vom Kanton erhalten, dass es auch für Veranstalter Lösungen geben wird. Das ist nicht grad morgen der Fall, aber in den nächsten Wochen werden diese kommen.

Und wie geht Ihr mit der Planung um? Man kann ja davon ausgehen, dass die Saison gelaufen ist.

So würde ich das noch nicht sagen. Wir haben immer noch die Hoffnung, dass wir im Juni noch das eine oder andere machen können. Wir hätten da unser Geburtstagsfest zu 40 Jahre Kaserne geplant, zudem hoffen wir, einige Schweizer Künstler noch zeigen zu können. Mit internationalen Acts hingegen wird es schwierig. Es fragt sich halt, wie lange die Krise dauert.

Wie gehen Sie mit all diesen Absagen um? Sie können ja nicht alles auf die kommende Saison verlagern.

Wir versuchen möglichst, Anlässe zu verschieben. Aber die Kapazität ist natürlich beschränkt. Wir sind ja schon länger an der Planung für 20/21. Deshalb wird es Veranstaltungen geben, die leider gar nicht stattfinden können, wie beispielsweise das Festival Steps anfang Mai oder das Jazzfestival. Bei diesen abgesagten Anlässen geht es nun um die Frage, wie die Ausfallkosten gedeckt werden.

Die Gessnerallee Zürich hat verkündet, dass sie alle Künstlergagen bezahlen wird, auch die der wegfallenden Veranstaltungen.

Wir haben auch das Ziel, die Künstlerinnen und Künstler so gut wie möglich zu unterstützen. Aber ich würde das nicht so pauschal verkünden wie die Gessnerallee. Da gibt es Gagen, Koproduktionsverträge, bereits gemachte Vorleistungen. Die einzelnen Fälle sind zu unterschiedlich, als dass man sie über einen Kamm scheren kann.

Wie schätzen Sie denn die Lage der Künstler ein?

Die grössten Schwierigkeiten haben diejenigen, die am Produzieren sind. Sie können Ihre Stücke nicht fertig herstellen, sie dürfen ja gar nicht proben. Sie haben also nicht einmal eine Produktion, das sie nach der Krise anbieten können. Sie müssen den ganzen Probenprozess verschieben. Das stellt viele vor ganz schwierige Fragen. Aber auch diejenigen, die eigentlich auf Tour wären, haben schlicht keine Einnahmen mehr.

Im August wäre ja in Basel ebenfalls Theaterfestival. Könnt Ihr das Programm überhaupt planen?

Bis Ende August ist es noch relativ weit. Das Programm ist eigentlich bereits gemacht. Wir möchten dieses wie geplant vor den Sommerferien kommunizieren. Aber auch da sind wir im laufenden Kontakt mit allen Produzenten, vor allem denjenigen ausserhalb des Schengen-
raumes, und das sind viele. Wir behalten uns einen Spielraum vor, indem wir die Drucklegung des Programms so weit wie möglich hinausschieben.

Das tönt alles sehr optimistisch. Sie gehen sogar davon aus, dass im Juni bereits wieder Publikum in die Kaserne kommt.

Ich bin zurückhaltend optimistisch. Vielleicht können wir das Restaurant wieder öffnen und zumindest einige Schweizer Künstler zeigen.

Und wenn es länger dauert: Haben Sie ein Worst-Case-Szenario?

Wenn die Schliessungsphase bis in den Herbst andauert, werden wir grossen Schaden nehmen. Dann können wir definitiv nicht mehr einfach verschieben, sondern müssen ganz viel absagen, da würden sich schon existenzielle Fragen stellen.

Um die Verluste zu decken, wird die Kaserne von der Stadt mehr Geld brauchen.

Die Subventionen decken den Basisbetrieb. 25 Prozent des Budgets erwirtschaften wir selbst. Das sind bei 4.5 Millionen Franken Umsatz, rund 1.2 Millionen. Müssten wir sechs Monate geschlossen bleiben, fehlt uns rund eine halbe Million.

Und wer fängt das auf?

Über Kredite würde das sicher nicht gehen, da wir diese in Zukunft kaum vernünftig abzahlen könnten. Es müsste über den vom Bund und den Kantonen angekündigten Krisenfond laufen.

Was bedeutet das alles für die Renovation und den Neustart im Kopfbau der Kaserne?

Die Baustelle läuft zurzeit wie geplant weiter. Für die Betreiber- und Mieterausschreibung hätte Ende März einen Anlass stattfinden sollen. Damit kann im Grunde erst weiter gemacht werden, wenn man sich wieder persönlich in grösseren Gruppen austauschen kann. Das Verfahren liegt auf Eis.

Dann wird es zu Verzögerungen kommen?

Dass Mieter und ein Betreiber gesucht werden, ist ja kommuniziert. Wenn der Prozess der Ausschreibung Ende Sommer wieder aufgenommen werden könnte, hätten wir noch ein Jahr Zeit. Das wäre sicher knapp, aber machbar. Ich glaube nicht, dass sich die Eröffnung verschieben wird, zumal gewisse Mieter, wie wir, die Moschee und andere planmässig einziehen werden.

Bei so viel Optimismus könnte ich auch ruhig schlafen!

Natürlich geht es uns allen an die Existenz. Aber wir sind eine Branche, die sich Flexibilität gewöhnt ist. Das merken wir nun in dieser Krise.

Das bedeutet, es herrscht keine Panik?

Nein, die Künstlerinnen und Künstler müssen mit der sehr grossen Unsicherheit umgehen, und sie schauen sich auch um. Derzeit passiert so viel Aussergewöhnliches wie Grenzschliessungen, Ausgangsverbot, Ruf nach digitaler Kontrolle. Das alles wird unsere Gesellschaft verändern. Ich stelle fest, dass die freie Kunstszene bereits sehr genau hinschaut. Das wird sich garantiert in unserem zukünftigen Programm niederschlagen.